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Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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die Kette umklammert hielt. Die Haut spannte sich über den Knöcheln, und seine Finger schmerzten. Alex zog eine Tresenschublade auf und warf die Kette hinein.
    »Und?«, erkundigte sich Paul, der unvermittelt vor ihm auftauchte.
    Plötzlich musste Alex lachen. Paul starrte ihn an, als hätte Alex den Verstand verloren. Ich habe nicht viel Zeit , hatte er sagen wollen. Es erschien ihm nun so absurd. Schließlich traf er sich zum ersten Mal mit seinem leiblichen Vater.
    Alex wurde wieder ernst. Es gab noch weitere Fragen, die ihn beschäftigten: Woher wusste Arthur, wo Alex lebte? Wer hatte ihm seine Telefonnummer gegeben?
    »Was denn nun?«, fragte Paul ungeduldig.
    Alex hockte sich neben Gizmo und kraulte ihm durchs Fell. »Kann ich dein Auto haben?«
    »Jetzt?«
    »Ich muss nach Berlin.«
    »Was wird aus dem Garten?«
    »Darum kümmerst du dich.«
    »Ja, genau, und was ist mit den Herren von Fielmeister’s ?«
    »Das Treffen ist in dreieinhalb Stunden. Bis dahin bin ich zurück.«
    Sein Freund sah ihn mit großen Augen an. »Du triffst deinen Vater zum ersten Mal im Leben und hast nur eine Stunde Zeit dafür?«
    »Gibst du mir den Schlüssel oder nicht?«
    Paul kramte in seiner Hosentasche. »Dafür, dass du dir Zeit lassen wolltest, hast du es plötzlich aber …«
    »Paul, der Schlüssel!«
    So , dachte Sam, während er in die Pedale trat, so muss es sich anfühlen, wenn Bart Simpson nach einem Streich Reißaus nimmt.
    Dann allerdings kam ihm der wütende Schrei seiner Mutter in den Sinn, und seine Euphorie verflog. Sam warf einen Blick über die Schulter. Hinter ihm waren nur die Häuser Finkenwerdas zu sehen, die nach und nach vom Wald verschluckt wurden. Als der Weg eine Kurve beschrieb, war das Dorf ganz verschwunden. Dichte Platanen bildeten ein Dach über der Straße, durch das nur vereinzelt Tageslicht drang.
    Er hatte die Schule geschwänzt und war abgehauen. Und alles nur wegen Lisa!
    Der Gedanke an seine Schwester beruhigte ihn. Wenn er Lisa erst einmal dazu bewogen hatte, wieder nach Hause zu kommen, würde seine Mutter allen Ärger vergessen. Vielleicht würde sie sogar stolz auf ihn sein. Von diesem Gedanken ermutigt, fuhr er weiter Richtung Brudow.
    Der Ort war kleiner als Finkenwerda und verfügte nicht über einen Supermarkt oder eine Dorfkneipe, auch nicht über einen Jugendclub. Allerdings waren die Häuser in Brudow moderner.
    Es dauerte nicht lange, bis Sam die Adresse gefunden hatte und vor einem schicken Neubau hielt. Der Garten war gepflegt und die Wiese gemäht. Wahrscheinlich hatten Zacks Eltern keine Schulden, lebten noch zusammen und stritten sich nicht. Ob das der Grund ist, weshalb Lisa bei ihm ist? , fragte sich Sam und war für einen Moment neidisch.
    Er stellte sein Fahrrad am Bürgersteig ab. Eicheln knackten unter seinen Schuhen auf dem Weg zur Tür. Mit jedem Schritt wurde er langsamer. Zwar kannte er Zack nicht, aber dessen Freunde in der Schule.
    Er betätigte die Klingel, doch niemand öffnete. Als er ein zweites Mal klingeln wollte, hörte er hinter sich Eicheln knacken.
    »Ey, zu wem willst du?«
    Laura massierte sich die Füße. Sie glaubte, jeden einzelnen Stein und jeden einzelnen Stock zu spüren, über den sie gelaufen war.
    »Meine Güte, Laura, Liebes.« Patrick sank neben ihr auf die Couch. »Ich hab’s gerade vom Chef erfahren. Ich hab’ mir sofort freigenommen und bin hergefahren. Warum hast du gestern nichts gesagt?«
    Sie wusste keine Antwort, und ihr Mund war trocken. Auf brennenden Sohlen schlich sie in die Küche. Als sie auf dem Tisch die Packung Marlboro entdeckte, steckte sie sich eine Zigarette an.
    Patrick stand im Türrahmen. Er hatte ein schmales Gesicht und dunkelbraune Haare, trug einen Kinnbart und hatte Schlupflider, die Laura bei Männern besonders attraktiv fand. Außerdem war er fünf Jahre jünger als sie, was ihr schmeichelte. In seiner Anwesenheit hatte sie ihre Sorgen vergessen können. Jetzt fiel es ihr schwer.
    »Was ist los mit dir?«, fragte er.
    Gereizt pustete sie Qualm in die Luft. »Ich dachte, der Chef hat’s dir erzählt.«
    Er blieb ruhig, tat einen Schritt auf sie zu. »Ja, natürlich.«
    Noch bevor er seinen Arm um ihre Schulter legen konnte, stieß sie sich von der Anrichte ab. Sie floh ins Wohnzimmer und sank in den Einsitzer. Patrick setzte sich auf das Sofa gegenüber. Nur das Ticken der alten Wohnzimmeruhr war zu hören. Nach einer Weile drückte Laura die Zigarette aus und nahm sich sofort eine neue. Ihr Handy

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