Die Mädchenwiese
nicht.
Erneut klopfte es an der Haustür. Meine Mutter hob die Lider und lächelte. Sie nickte, als wollte sie sagen: Geh!
Sie war schwer krank, und es bereitete ihr große Schmerzen, wenn sie sich auch nur einen Zentimeter bewegte. Ich sah sie leiden. Jeden Tag. Und trotzdem gab sie mir Kraft.
»Danke«, flüsterte ich und küsste sie auf die Wange. Dann eilte ich hinab zur Haustür.
Kapitel 20
Alex fand einen Parkplatz in unmittelbarer Nähe des Café Einstein . Er setzte sich an einen der Tische auf der Terrasse, mit dem Rücken zur Wand, damit er den Bürgersteig und die Straße im Auge behalten konnte. Gizmo legte sich zu seinen Füßen. Alex trank eine Cola light und aß einen Streuselkuchen, der so süß war, dass Alex bereits nach dem zweiten Bissen der Appetit verging. Doch vielleicht war dies auch nur seiner wachsenden Nervosität geschuldet. Noch fünfzehn Minuten bis zum verabredeten Zeitpunkt.
Sein Freund war zu Recht verwundert gewesen: Alex traf seinen leiblichen Vater zum ersten Mal und konnte nur sechzig Minuten für ihn erübrigen. Doch das Treffen mit Fielmeister’s diesen Nachmittag war wichtig für den Fortbestand der Elster und auch für den Jugendclub in Finkenwerda. Alex konnte nicht all seine Pläne über den Haufen werfen, nur weil Arthur ihn drängte. Er hatte dreißig Jahre lang nichts von sich hören lassen. Da kam es auf zwei oder drei Tage mehr oder weniger eigentlich auch nicht mehr an.
Der Himmel war inzwischen voller tiefhängender grauer Wolken, und die Luft roch, als würde es bald anfangen zu regnen. Auf der Straße Unter den Linden staute sich der Verkehr beiderseits des promenadenartigen Mittelstreifens. Der Platz vor dem Brandenburger Tor war eine Baustelle. Mit Kameras bewehrte Touristenhorden rangen mit vornehmen Berlinern aus Mitte, die sich hinter Designertaschen verschanzten, um den besten Platz vor den Schaufenstern. Es war kurz nach zwei Uhr.
Alex hielt Ausschau nach Arthur. Da sie kein Erkennungszeichen ausgemacht hatten, konnte er nur raten, wer von den heraneilenden Männern derjenige war, der vor seinem Tisch stehen bleiben würde.
Der Kellner trat in sein Blickfeld. »Etwas Wasser für den Hund?«
»Ja, gerne, danke.«
Gizmo schlabberte aus dem Napf. Am Nachbartisch verzogen drei Damen in D&C -Kostümen den Mund. Inzwischen versperrte Alex eine Russencombo die Sicht auf den Bürgersteig. Die bärtigen Männer quälten ihre Akkordeons. Nach zwei Liedern schwenkten sie ihre Hüte. Die Gesichter der Frauen am Nebentisch versteinerten augenblicklich. Mittlerweile war es kurz vor halb drei.
Wenn Arthur nicht innerhalb der nächsten Minuten auftauchte, blieb ihnen kaum noch Zeit für eine richtige Unterhaltung. Alex winkte dem Kellner. »Hat sich jemand nach mir erkundigt? Ich heiße Alex Lindner.«
»Nein, tut mir leid.«
»Auch keine Nachricht hinterlassen?«
»Auch das nicht.«
Gizmo legte seine Schnauze auf Alex’ Bein. Dieser strich durch das Hundefell, was seine Ungeduld aber nur unwesentlich linderte. Er wählte Arthurs Nummer. Ein Freizeichen ertönte, aber niemand nahm das Gespräch entgegen. Alex fragte sich, ob Arthur auf dem Weg hierher etwas passiert war, und beschloss, noch eine Viertelstunde zu warten.
»Entschuldigung!« Ein junger Mann in Jeans, T-Shirt und Sneakers baute sich vor dem Tisch auf. »Ich soll Ihnen das hier geben.«
Er drückte Alex ein Kuvert in die Hand.
Zwei Jugendliche standen vor Sam.
»Was ist?«, knurrte einer der beiden. Er trug karierte Shorts, ein T-Shirt und eine Ray-Ban-Sonnenbrille. »Kannst du nicht reden?«
»Bist du Zack?«, fragte Sam. Sein Mund war trocken.
Der Typ schob seine Sonnenbrille auf den rasierten Schädel. »Ey, seh’ ich so aus, oder was?«
Sam schaute zu dem anderen Jungen, der übergroße Baggy-Jeans und ein weites Kapuzenshirt anhatte und auf dessen Kopf eine Skater-Kappe thronte. Dieser fletschte nun die Zähne, zwischen denen ein Kaugummi steckte. »Nee, ich seh’ auch nicht so aus.«
Von der Entschlossenheit, die Sam noch vor wenigen Minuten verspürt hatte, war so gut wie nichts mehr geblieben. Es reichte gerade noch für ein paar stotternde Worte. »Ich … will mit … Zack reden.«
Der Glatzkopf runzelte die Stirn. Seine Ray-Ban rutschte ihm vor die Augen. »Biste nicht ein bisschen jung dafür?«
»Wofür?«
Amüsiert sahen sich die beiden Typen an. »Gute Antwort, Kleiner. Aber trotzdem: Du verschwindest jetzt besser.«
Ein Gefühl sagte Sam zwar, dass er dieser
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