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Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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dieses Piercings angeschrien? So was … Idiotisches! Es ist nur ein dämlicher Ring im Bauchnabel!«
    »Du machst dir nur Sorgen.«
    »Jetzt mache ich sie mir erst recht!«
    Frank schwieg.
    »Verstehst du? Das meinte ich mit Hölle. Ich komme mir vor, als wäre ich geradewegs dort gelandet. In einem Alptraum, den ich selbst verschuldet habe.« Laura drückte die Kippe im Aschenbecher aus. »Inzwischen kann ich es Lisa nicht einmal verübeln, dass sie abgehauen ist. Als Mutter war ich in letzter Zeit unerträglich und … und …«
    »Und jetzt solltest du dich um Sam kümmern«, sagte Frank. »Er braucht dich.«
    Laura sank aufs Sofa zurück. »Ich kann nicht. Ich kann mir nicht Sorgen um Lisa machen – und um Sam . Ich weiß, das klingt verrückt, nach allem, was ich dir gerade erzählt habe, über meine Angst, meine Selbstvorwürfe. Ich weiß das selbst, aber … mir fehlt die Kraft. Das alles ist mir zu viel. Mir geht es nicht gut. Ich habe Schmerzen. Ich kann nicht mehr.«
    Lisa hielt es nicht mehr länger aus. Sie wankte in die Ecke. Dabei ließ sie ihren Blick durch die Zelle gleiten und spähte in das finstere Gewölbe hinter der Gefängnistür.
    Sie raffte ihr Kleid hoch, zog den Slip auf die Knöchel und hockte sich so tief über den Topf, wie es ihre übervolle Blase erlaubte. Nichts passierte. Sie presste, um den Druck zu erhöhen. Das hatte nur noch mehr Krämpfe zur Folge. Sie kniete sich hin, was ihren Körper etwas entspannte. Endlich löste sich die Verkrampfung. Während es unter ihr plätscherte, schoss ihr das Blut ins Gesicht. Lisa stöhnte, weniger vor Erleichterung als vor Scham.
    Als der Strahl endlich versiegte, hatte sie nichts, um sich zu säubern und abzutrocknen. Weil ihre Finger dreckig und blutverschmiert waren, tupfte sie sich mit dem Handrücken ab, bevor sie den Slip wieder hochzog. Mit einem Seufzer schob sie ihr Kleid über den Po.
    »Du wirst dich daran gewöhnen«, sagte Silke.
    Lisa lief erneut rot an.
    »Du hast keine andere Wahl.«
    Lisa war sich nicht sicher, ob sie sich an dieses peinliche Gefühl überhaupt gewöhnen wollte. »Geht es dir wieder besser?«, fragte sie ausweichend.
    »Ein wenig.«
    Erneut rätselte Lisa, was mit dem anderen Mädchen passiert war. Hatte dieser Psycho ihr weh getan? Hatte er sie misshandelt? Lisa wollte wissen, warum sie entführt worden war und was sie erwartete. Doch da sie Silke nicht noch einmal zum Weinen bringen wollte, hielt sie den Mund und griff stattdessen nach dem Wasserglas auf dem Tablett. Zaghaft nahm sie einen Schluck. Es schmeckte abgestanden, aber ansonsten normal. Sie wartete einige Sekunden, dann trank sie einen weiteren Schluck. Es war ein wunderbares Gefühl, das Wasser ihre Kehle hinabrinnen zu spüren. Den letzten Rest Wasser kippte sie über ihre dreckigen Hände.
    »Hey, Lisa, woher kommst du eigentlich?«, erkundigte sich Silke.
    Lisa stellte das Glas zurück aufs Tablett.
    »Nun sag schon! Woher?«
    Lisa starrte auf ihre Fingernägel. Bei einigen blätterte der schwarze Lack ab. Andere waren noch mit Blut verschmiert.
    »Also ich komme aus Kleinmachnow«, sagte Silke.
    Lisa holte Luft. »Ich aus Finkenwerda.«
    »Hä?«
    »Das ist ein kleines Kaff.«
    »Klingt, als wär’s wie Kleinmachnow am Arsch der Welt«, stellte Silke fest.
    »Es liegt im Spreewald.«
    »Na, sag’ ich ja. Stimmt doch, oder?«
    »Ja, es ist …« Es ist ätzend dort , hatte Lisa antworten wollen. Aber das wäre gelogen gewesen. Sie versuchte, das Blut von ihren Fingern zu wischen. Sie sehnte sich nach einer Dusche. Sosehr sie Finkenwerda am Wochenende verflucht hatte, konnte sie sich in dieser Sekunde nichts Schöneres vorstellen, als in ihr Dorf zurückzukehren.
    Vor der Badezimmertür roch Sam an seiner Kleidung. Er stank tatsächlich. Aber das war nicht der einzige Grund, weswegen er sich schämte. Da ist deine Sorge wohl mit dir durchgegangen , hallte die Stimme seines Onkels durch Sams Verstand.
    Während seines beschwerlichen Heimwegs war Sam die Furcht, die ihn nach der Begegnung mit der alten Kirchberger im Wald heimgesucht hatte, absolut schlüssig erschienen. Er war sich sicher gewesen, dass sie mit ihren Worten über ein junges Mädchen, ihre Schönheit und ihren Schmerz Lisa gemeint hatte.
    Doch nun, in der schützenden Umgebung seines Zuhauses und nach dem Gespräch mit seinem Onkel, war Sam sich keineswegs mehr sicher. Ich hab’ die alte Kirchberger gesehen. Im Wald. Sie ist da rumgelaufen. Sie hat gesungen . Seine eigenen

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