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Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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Augen auf mich herab. Ich schüttelte den Kopf. Die Stadt war viel größer, als ich sie in Erinnerung hatte.
    Vor dem Theater am Schiffbauerdamm hielt Ferdinand Kirchberger auf einem für ihn reservierten Parkplatz. Wir hatten Sitze in der ersten Logenreihe. An den Namen der Aufführung kann ich mich nicht mehr erinnern, wohl aber an die lebendigen Szenen, die die Schauspieler auf die Bühne zauberten. Als der Vorhang fiel, wollte ich gar nicht aufhören zu applaudieren.
    Anschließend lud mich Ferdinand Kirchberger in das Café Moskau ein. Einer der Kellner kam mit wehenden Frackschößen auf uns zu. Er begrüßte meinen Begleiter mit Namen und geleitete uns über einen Marmorboden in die Lounge Natascha . Die edlen Holzwände waren mit Meißener Porzellan geschmückt. Raumhohe Fenster gaben den Blick auf einen mächtigen Stahlbrunnen im Innenhof frei.
    »Was darf ich Ihnen zu trinken bringen?«, fragte der Ober.
    »Wie wäre es mit einer Grünen Wiese?«, schlug Ferdinand Kirchberger vor.
    »Ich … äh …«
    »Eine Art Cocktail«, sagte er schmunzelnd.
    »Wenn Sie …«
    »Nein, ich bevorzuge Rotwein. Müller-Thurgau. Abgefüllt in Radebeul.«
    »Na gut, dann nehme ich auch den Wein.«
    Es dauerte nicht einmal eine Minute, da wurden uns die Getränke schon serviert. Fasziniert beobachtete ich die anderen Gäste, gutgekleidete junge Leute. Die Männer wie Ferdinand im Anzug, die Frauen in schicken Kostümen, die Haare frisiert, ihre Gesichter geschminkt. Munter plauderten sie während des Essens, schwenkten lachend ihre Gläser oder tanzten zur Live-Musik einer Kapelle, deren Name mir nichts sagte. Selbst die Lieder, die sie spielte, hatte ich noch nie gehört. Ich kam mir vor wie in einem Traum. Aber der Abend war kein Traum, er fand tatsächlich statt.
    Der Alkohol stieg mir bereits zu Kopf. Dabei hatte ich das Glas erst zur Hälfte geleert. Ich kicherte.
    »Gefällt es Ihnen?«, fragte mein Begleiter.
    »Ja, Herr …«
    »Ferdinand, bitte.«
    »Ja, Ferdinand.« Meine Wangen glühten. »Es gefällt mir sehr.«
    »Das ist schön, Berta … Es ist doch in Ordnung, wenn ich Berta zu dir sage?«
    Ich nickte. Mit einem zufriedenen Lächeln griff Ferdinand in seine Sakkotasche und brachte eine Schachtel zum Vorschein. Karo . Gleich darauf umgab mich der vertraute, herbe Zigarettenqualm. Erinnerungen stürmten auf mich ein. Schlagartig war ich nüchtern.
    »Berta«, sagte Ferdinand erstaunt. »Ich dachte, es gefällt dir hier?«
    »Ja, doch.«
    »Aber du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.«
    Ich kämpfte mit den Tränen, ich wollte nicht weinen. Nicht hier, nicht vor Ferdinand.
    Kapitel 22
    Laura starrte zum Himmel hinauf, als könnte sie die Wolken durch Gedankenkraft dazu zwingen, sich zu teilen und etwas Sonnenlicht durchzulassen. Aber nichts dergleichen geschah, der Himmel blieb verhangen. Zudem wurde es immer kälter. Sie schloss die Haustür und folgte ihrem Schwager ins Wohnzimmer.
    »In dem Wagen, der gerade eben weggefahren ist, saß Patrick, oder?«, erkundigte sich Frank.
    »Ja«, erwiderte sie knapp.
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Soll das ein Witz sein?«
    »Ich meinte, mit dir und Patrick.«
    »Darüber möchte ich nicht reden, okay?«
    »Klar.« Frank ging zur Couch. »Und du bist dir sicher, dass es Sam war, den du …«
    »Glaubst du, ich erkenn’ meinen eigenen Sohn nicht?«
    »Hast du gesehen, wo er hingefahren ist?«
    »Nein, und …«
    »Wo könnte er sein?«
    »… das ist doch auch egal. Bestimmt ist er wieder im Wald.« Laura tastete ihre Hosentasche vergeblich nach Zigaretten ab. Sie tigerte durchs Wohnzimmer. Bei jedem ihrer Schritte spürte sie die Wunden an ihren Fußsohlen. »Sam sollte in der Schule sein. Renate hat ihn zum Bus gebracht. Was hat er also hier zu suchen?« Sie wollte sich nicht von ihrer Wut überwältigen lassen, aber Wut war immer noch besser als Angst und Verzweiflung. Die nächste Frage wagte sie kaum auszusprechen. »Und was ist mit Lisa?«
    Jetzt sank ihr Schwager aufs Sofa. »Noch immer nichts Neues, leider.«
    »Was ist mit dem Zeugen? Dem, der Lisa in dieser Disco gesehen hat?«
    Frank verzog das Gesicht. »Ja, gut möglich, dass er sie im Weekend gesehen hat. Aber ob sie in Begleitung war, konnte er nicht sagen. Meine Kollegen haben die Veranstalter der Disco gefragt, aber sie können sich nicht an Lisa erinnern. Diese Spur hilft uns leider nicht weiter.«
    »Und sonst? Hat sich niemand gemeldet, der …«
    »Doch, sehr viele sogar. Aber

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