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Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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Gesicht voran, krachte er ins Unterholz. Äste zerschrammten ihm die Wangen.
    Wimmernd zerrte er an der Fessel. Es war nur ein Strauch, der sich um seine Knöchel wand. Sam streifte das Gestrüpp von den Füßen, rannte weiter auf das Dorf zu. Er sah das Laternenlicht zwischen den Bäumen auftauchen, dann die ersten Häuser, die Dorfstraße. Und schließlich das Haus seiner Mutter.
    Sein Onkel stand im Türrahmen.
    »Herr Lindner«, sagte Laura, während der Hund sie beschnupperte, »ich möchte …« Sie hielt inne, als sie einen zweiten Mann am Tresen bemerkte.
    Der Gastwirt räusperte sich. »Das ist Paul Radkowski, ein guter Freund von mir.«
    »’n Abend«, brummte Paul.
    »Wollen Sie sich setzen?«, fragte Lindner. »Etwas trinken?«
    »Eigentlich wollte ich Sie etwas fragen.«
    »Ja, natürlich, kein Problem.« Er sah sie erwartungsvoll an.
    Laura öffnete den Mund, doch ihr fehlten die Worte. Sie wusste nicht, was sie ihn fragen sollte. Sind Sie ein Mörder? Die Bestie? Haben Sie meine Tochter … Selbst wenn, würde er es wohl kaum zugeben. Ihr Blick irrte durch den Schankraum.
    Die Holzschemel und -tische waren abgenutzt. Von den Wänden mit ihren verblichenen Tapeten ging ein muffiger Geruch aus, den selbst der Bier- und Schnapsgestank nicht zu übertünchen vermochte. Sogar der Gastwirt wirkte in diesem Umfeld mehr als nur erschöpft. Einzig der Hund, der noch immer um sie herumtänzelte, strahlte Lebendigkeit aus.
    »Ich geh’ dann mal«, hörte sie Radkowski sagen.
    Die beiden Männer traten vor die Lokaltür. Der Hund blieb bei Laura und streckte ihr seinen Nacken entgegen. Sie kraulte ihn. Es hatte eine beruhigende Wirkung auf sie. Doch diese verflog sofort, als Stimmen von draußen in die Kneipe drangen.
    »Alex, pass auf«, murrte Radkowski, »lass dir …«
    »Ja, ist ja gut.«
    »… die Frauen …«
    »Ja, ich weiß … einen Bogen … Kannst … Klappe halten.«
    Mit einem verlegenen Lächeln kehrte Lindner zurück in die Gaststube.
    »Nett haben Sie es«, sagte Laura und fragte sich in derselben Sekunde, was um alles in der Welt sie da redete.
    »Na ja«, entgegnete der Wirt, »ein bisschen altbacken. Trägt noch die Spuren meiner …« Seine Stimme zitterte leicht, als er fortfuhr: »… meiner Eltern.« Er verriegelte die Kneipentür. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir hoch in meine Wohnung gehen? Gizmo wartet auf sein Futter.« Als sie den Kopf schüttelte, ging er voran in einen Korridor.
    Laura schnürte es die Kehle zu. Ein Mörder! Die Bestie! Und niemand wusste, wo sie steckte. Sie hatte nicht einmal ihr Handy dabei. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht, einfach aus dem Haus zu schleichen?
    Er war selbst Polizist , beruhigte sie sich. Er hat ermittelt. Sonst nichts.
    Zögerlich folgte sie ihm eine Treppe hinauf ins Obergeschoss und schlang die Arme um ihren Oberkörper.
    Lindners Wohnung war nicht minder altbacken als die Kneipe. In der Küche rührte er das Hundefutter an, über das sich der Retriever augenblicklich hermachte.
    »Möchten Sie etwas trinken?«, fragte er.
    Nein, ich will nichts trinken. Sie wollte nicht noch mehr Zeit vergeuden. Aber genauso wenig wusste sie, wie sie das Gespräch beginnen sollte. Also fragte sie: »Warum ist mein Schwager so schlecht auf Sie zu sprechen?«
    Lindner ging in das benachbarte Wohnzimmer und setzte sich auf die alte Biedermeiercouch. Mit einer Geste bot er ihr ebenfalls einen Sitzplatz an, aber Laura blieb stehen.
    »Ihr Schwager ist Polizist«, sagte er, »und Polizisten mögen es nicht, wenn sie das Gefühl haben, dass sich Privatpersonen in ihre Ermittlungen einmischen.«
    »Mischen Sie sich denn in die Ermittlungen ein?«
    Er schüttelte den Kopf, vielleicht etwas zu hastig. »Nein, nein, ich mache mir nur Sorgen. Nichts weiter.«
    Lauras Beklemmung ließ etwas nach. Sie sank auf die Couch ihm gegenüber. »Sie kennen mich doch kaum. Und meine Tochter kennen Sie ebenso wenig, oder?«
    Lindner nickte nur.
    »Was genau macht Ihnen also Sorgen?«, fragte Laura.
    Abrupt stand er auf, ging zum Fenster und stellte es auf Kippe. Die Geräusche der Nacht drangen in die Stube. Grillen zirpten, am Brunnen quakten Frösche. Irgendwo dröhnte der Auspuff eines Lkws.
    Lindner setzte sich zurück auf die Couch. Er wollte nicht darüber reden, das war ihm deutlich anzumerken. »Darf ich Sie etwas fragen?«, erkundigte er sich. Er wartete ihre Antwort nicht ab. »Was genau ist mit Ihrer Tochter passiert?«
    »Sie ist von zu Hause

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