Die Mädchenwiese
Nacht anderes tun sollen? Ihm die Wahrheit erzählen? Nein, ich hatte so lange mein Schweigen bewahrt, ich konnte es auch jetzt nicht brechen.
Stattdessen klammerte ich mich an Ferdinands Worte: Du bist die Frau, die ich mir immer vorgestellt habe. Und er war der Mann, der mich glücklich machte. Der mir ein neues Leben bot. Mein eigenes Leben. Du bist genau die Richtige für mich. Es war doch nur recht und billig, wenn ich ihm für das, was er für mich tat, etwas zurückgeben konnte. Außerdem geschah doch alles aus Liebe.
Vielleicht, so hoffte ich, würde ich deshalb auch irgendwann einmal Freude daran empfinden können.
Danach ging Ferdinand ins Bad. Ich streifte mir hastig mein Nachtkleid über den Leib.
»Das mit den … Berta, was machst du da?« Ferdinand tauchte im Türrahmen auf.
Ich hielt die Enden des Bettlakens in beiden Händen.
»Du willst doch nicht etwa das Bett neu beziehen, mitten in der Nacht?«
Ich nickte. Ich kannte es doch nicht anders.
»Nein, Berta, das lass mal schön bleiben.«
Mein Blick mied den dunklen Fleck, den sein Samen und mein Blut bildeten. Zögernd legte ich mich zurück in die Feuchtigkeit. Ferdinand brummte zufrieden und ließ sich auf seiner Betthälfte nieder.
»Das mit den Flitterwochen«, sagte er.
Ich spürte die warme Flüssigkeit unter meinem Po und versuchte mich auf seine Worte zu konzentrieren.
»… das müssen wir leider verschieben.«
Wir hatten geplant, nach Bulgarien ans Schwarze Meer zu fahren, wo ihm seine Eltern in Strandnähe eine Datsche hinterlassen hatten. Es sollte mein erster Urlaub werden und zugleich meine erste Reise ins Ausland.
»Weißt du, bei meiner Arbeit in Berlin gibt es zurzeit fürchterlich viel zu tun.«
»Ja«, sagte ich.
»Aber deshalb brauchst du nicht sauer zu sein.«
»Nein, nein, das bin ich nicht.«
»Gut.« Er drehte sich auf die Seite. »Mann, bin ich müde. Machst du bitte das Licht aus?«
Ich drückte den Schalter. Aus der Dunkelheit neben mir vernahm ich Ferdinands gleichförmiges Atmen. Nicht viel später erklang ein leises Schnarchen. Ich selbst lag noch eine Weile wach.
Kapitel 32
Alex schwieg betreten. Endlich hatte er von Lisas Mutter die Informationen erhalten, um die er wiederholt gebeten und von denen er sich eigentlich nur eines erhofft hatte: dass sie all seine Befürchtungen widerlegten. Hat Lisas Verschwinden mit Ihrem alten Fall zu tun? , tönte Laura Theis’ Stimme durch seinen Kopf. Jetzt wünschte er sich, er hätte nie danach gefragt.
Sein Blick suchte die junge Mutter. Sie war attraktiv, aber die letzte Zeit hatte ihren Tribut gefordert. Sie wirkte erschöpft und verängstigt, noch mehr als am Morgen zuvor im Supermarkt.
»Hören Sie«, platzte es aus ihr heraus, »obwohl Sie meine Familie nicht kennen, standen Sie zweimal vor meiner Tür, gestern, vorhin – bestimmt nicht, weil Sie sich nur um ein Mädchen sorgen, das von zu Hause ausgerissen ist.«
Ihm fiel nichts ein, was er darauf hätte erwidern können.
»Wenn Sie also etwas wissen, reden Sie, verdammt noch mal. Lisa ist meine Tochter, sie ist verschwunden, schon seit Freitag, verstehen Sie? Wenn sie in Gefahr ist, dann habe ich ein Recht darauf, es zu erfahren. Was ist vor drei Jahren mit den Mädchen passiert?«
Gizmo räkelte sich in seinem Korb, gähnte, rollte sich auf den Rücken und streckte alle viere von sich. Alex stellte sich vor, mit ihm zu tauschen. Schlafen, spielen, fressen. Ein Hundeleben war unbeschwert und frei von vielen Zwängen.
»Was hat Ihnen Ihr Schwager erzählt?«, erkundigte er sich.
Nachdem sie es ihm berichtet hatte, fragte sie: »Aber da ist noch mehr, oder?«
»Ja, Sie haben recht.« Er sortierte seine Gedanken. Das Sprechen fiel ihm schwer. »Die jungen Frauen, die vor drei Jahren entführt worden sind … Sie waren sich nicht nur äußerlich ähnlich, hübsch, schlank, langes schwarzes Haar …«
»So wie Lisa.« Laura Theis schnappte nach Luft.
Alex ging nicht darauf ein. »Die Mädchen kamen aus zerrütteten Familienverhältnissen, waren unzufrieden daheim und hatten, wie ich im Zuge meiner Ermittlungen herausfand, einen Mann kennengelernt, einen älteren Mann, der ihnen Aufmerksamkeit schenkte, der ihnen zuhörte, der sie hofierte, mit teuren Geschenken bedachte, sich bei ihnen einschmeichelte, bis sie bereit waren, mit ihm durchzubrennen. Erst dann offenbarte er ihnen sein wahres Gesicht.«
Lisas Mutter krallte die Finger in den Ärmel ihres Pullovers. Ihr Gesicht war
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