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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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Baumstamm nicht dort gelegen hätte, wohin Harek, der besseren Standfestigkeit halber, seinen Fuß setzte. Während Harek also den Jarl fest ins Auge faßte, trat er auf den Baumstamm und verlor den Halt. In diesem Augenblick schlug ihm Skjalm Hvide die flache Schwertklinge mit solcher Wucht auf den Schädel, daß Harek die Augen aus dem Kopf sprangen. Daß es dem Jarl, obwohl er von Feinden umringt war, unversehrt zu entkommen gelang, führt Björn auf das lähmende Entsetzen zurück, das sich aller beim Anblick des noch im Sterben nach seinen Augäpfeln tastenden Harek bemächtigt habe.
    Als man dem König die Nachricht von Hareks Tod überbrachte, sagte er: »Dies war Skjalm Hvides Tag.« Er befahl, von weiteren Angriffen auf den Jarlshof abzulassen und die Toten zu begraben. Hareks Leichnam wurde auf einem Hügel unter schweren Steinen bestattet, und Harald selbst wachte eine Nacht lang an seinem Grab. Skjalm Hvide aber ließ er ein Fäßchen Bier schicken, und dieser soll es, die Warnungen seiner Söhne mißachtend, auf einen Sitz ausgetrunken haben.
    Anderntags gab der König seinen Entschluß bekannt, den Jarl und seine Leute auszuhungern. Bei der großen Zahl von Verteidigern würden die Vorräte bald aufgezehrt sein, so daß man lediglich zu warten brauche, bis Skjalm Hvide und seine Männer vom Hunger aus ihrem Bau getrieben würden. Zwar könne dies einigeWochen dauern, aber da im Land Ruhe herrsche, zwinge ihn nichts, die Belagerung abzubrechen, bevor sie ihren Zweck erfüllt habe. Nun liege es bei Skjalm Hvide zu entscheiden, ob er, seinem Rang gemäß, einer der ersten unter seinen Gefolgsleuten sein oder den Hungertod sterben wolle. Dies sagte der König im Kreise seiner Vertrauten, wohl wissend, daß seine Worte dem Jarl heimlich übermittelt werden würden.
    Der Sommer verging, ohne daß etwas geschah, was auf eine Hungersnot im Lager des Gegners schließen ließ. Auch an Trinkwasser schien es dort nicht zu mangeln, obgleich es ein ungewöhnlich heißer und trockener Sommer war und die Brunnen in weitem Umkreis versiegt waren. Je mehr die Hoffnung dahinschwand, daß die Belagerung ein baldiges Ende nehmen würde, desto spürbarer wurde die Ungeduld im Heer des Königs. Die Bauern murrten, weil Harald ihnen nicht erlaubte, auf ihre Höfe zurückzukehren, um die Ernte einzubringen, und unter seinen Gefolgsleuten kam es zu Tätlichkeiten zwischen denen, die den König von Anfang an begleitet hatten, und jenen, die erst später zu ihm gestoßen waren. Letztere waren in der Überzahl, und Harald mußte die ärgsten Streithähne in Ketten legen lassen.
    Eines Nachts, während eines heftigen Gewitters, machten Skjalm Hvides Männer einen Ausfall. Sie überwältigten die Wachen und drangen bis zu der Hütte vor, in der die Eßvorräte lagerten. Dort aber warf sich ihnen Tryn entgegen und trieb sie mit kreisender Axt und markerschütterndem Gebrüll in die Flucht. Immer noch tobend kehrte er in das Lager zurück, wo nun auch die eigenen Leute entsetzt vor ihm das Weite suchten. Der König packte Björns Arm und flüsterte mit schreckensbleichem Gesicht: »Geh hinaus und versuch ihn zu beruhigen!« Aber da stand Tryn schon im Zelt, den leblosen Körper eines Mannes auf der Schulter. Mit einer Hand griff er in den Haarschopf und warf ihn vor Haralds Füße.
    »Wen bringst du mir da?« fragte der König.
    Björn drehte den Mann auf den Rücken. Er blutete aus Mund und Nase, und sein rechtes Ohr baumelte an einem Hautfetzen.
    »Es ist Asser, Skjalm Hvides Sohn«, antwortete Björn. »Wie es scheint, lebt er noch.«
    »Das nenne ich einen guten Fang, Tryn«, sagte der König freundlich. »Aber wasch dir das Blut vom Gesicht, sonst macht mir dein Anblick böse Träume.«
    Als sie allein waren, sagte Harald: »Nun wird es nicht mehr lange dauern, bis Skjalm Hvide zu Verhandlungen bereit ist, denn obwohl er zwölf Söhne hat, liebt er jeden mehr als sich selbst.«
    Gegen Morgen erwachte Asser aus der Bewußtlosigkeit. Der König ließ ihn auf das freie Gelände zwischen Wald und Jarlshof bringen und an einen Pfahl ketten. Dann rief er mit lauter Stimme den Namen des Jarls, und kaum war das Echo im Wald verhallt, als auch schon Skjalm Hvides grauer Kopf über den Palisaden auftauchte.
    Harald deutete auf den Schatten eines alleinstehenden Baumes, der eine Manneslänge von Asser entfernt auf dem steinigen Boden lag. »Siehst du diesen Schatten, Skjalm?« schrie er. »Wenn er auf deinen Sohn fällt, werde ich ihn in

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