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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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gehaust als die Dänen, und dies sei umso verwerflicher, als nahezu jede der hier ansässigen Familien dänische Vorfahren habe. Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, griff er nach einem Dreschflegel, doch Torkel riet ihm freundlich davon ab, seinem Haß auf die dänischen Vettern freien Lauf zu lassen.
    »Es ist vielleicht gut zu wissen, daß ihr hier nicht viele Freunde habt«, sagte er zu Sven, als sie vom Hof ritten.
    »Aber zu den wenigen rechne ich dich, Torkel«, erwiderte Sven. Darüber dachte Torkel eine Weile nach, bevor er antwortete:»Es wäre schwierig für mich, dein Freund zu bleiben, wenn du dich gegen Aethelred wendest. Wir Norweger, weißt du, schwören nicht heute den Treueeid, um ihn morgen wieder zu brechen.« »Bezahlt er dich gut?«
    »Ich habe Zeiten erlebt, da ich ärmer war als jetzt.«
    »Sieh dir die Geschenke an, die ich Aethelred bringe. Gab er dir mehr, um dich zum Gefolgsmann zu gewinnen?«
    »Weniger«, antwortete Torkel. »Aber da ist noch etwas anderes, was du bedenken mußt, Sven Gabelbart. Da ist der Wurm, der an meinen Eingeweiden nagt. Er ist in letzter Zeit so gewachsen, daß ich jede seiner Bewegungen spüre. Ich habe alles versucht, ihm den Garaus zu machen, ich habe Bäder genommen, so heiß, daß meine Haut Blasen warf, ich habe die bittersten Kräutersäfte getrunken, ich habe gehungert, aber statt mitzudarben, hat er sich an meinen Eingeweiden gütlich getan. Er hat mich von innen ausgehöhlt, dieser abscheuliche Wurm. Ich wäre leer, wenn er nicht dick und fett in mir säße. Und nun frage ich dich, was dir ein Freund nutzen soll, der jederzeit damit rechnen muß, daß der Wurm nach allem anderen auch sein Herz frißt?«
    »Ich kenne Leute, die wegen weit geringerer Beschwerden wochenlang das Bett hüten«, sagte Sven, und Björn fiel es nicht schwer zu erraten, wen er meinte. »Von dir aber wird berichtet, du seist stets im dichtesten Kampfgetümmel zu finden. Woher nimmst du die Kraft, da du deinen eigenen Worten nach nur noch eine leere Hülle bist?«
    »Als ich geboren wurde, legte mir mein Vater ein Schwert in die Wiege«, entgegnete Torkel. »Ich wuchs mit dem Schwert auf, ich habe mit dem Schwert Ruhm geerntet. Soll ich mich von einem Wurm töten lassen, solange noch Aussicht besteht, in der Schlacht zu fallen? Denn dies«, schloß er grimmig, »wäre nicht nur ehrenvoller, es wäre auch der Tod des gefräßigen Untiers!«
    Das Kloster lag auf einer Insel inmitten eines von Wasserrosen bedeckten Sees. In einem geteerten Nachen setzten sie über. Vor dem Tor erwartete sie ein Mönch und begrüßte sie mit leiser Stimme.Der König pflege der Mittagsruhe, flüsterte er, und es sei nicht ratsam, ihn zu wecken, nachdem er die letzten Nächte schlaflos verbracht habe. Auf Zehenspitzen und mehrfach den Finger an die Lippen legend führte er sie in einen Raum mit kahlen, weißgekalkten Wänden. Es gab dort einen Tisch und eine Bank, beide grob gezimmert und wurmstichig, und in der Ecke hockte ein alter Mönch mit weitgeöffneten leeren Augen.
    »Das ist Bruder Angelus«, flüsterte der Mönch. »Der Herrgott hat ihm den Verstand genommen, als eure Landsleute ihm Holzspäne unter die Fingernägel trieben. Ich hole euch, sobald der König erwacht ist.« Damit ließ er sie allein.
    »Du darfst aus der Art, wie Aethelred dich empfängt, keine falschen Schlüsse ziehen«, versuchte Torkel den sichtlich verärgerten Sven zu beschwichtigen. »Es steckt keine Berechnung oder böse Absicht dahinter, sondern allein das Bedürfnis nach Schlaf. Ich habe es erlebt, daß er eine Schlacht abbrach, die schon so gut wie gewonnen war, weil ihm plötzliche Müdigkeit den lange entbehrten Schlaf zu verheißen schien.«
    »Ich weiß es nicht«, begann der Mönch auf einmal zu wimmern, »so wahr ich Angelus heiße und vorher Fergus hieß und in Dyflinn das Licht der Welt erblickte, ich weiß es nicht!«
    »Wovon spricht er?« fragte Sven.
    Torkel zuckte die Achseln. Aber Björn trat zu dem Mönch und sah, wie ihn die Erinnerung an einen furchtbaren Schmerz mit solcher Wucht heimsuchte, daß er am ganzen Körper zitterte und sich seine verunstalteten Finger ineinander verknoteten. Dann stieß er einen Schrei aus, und es schien, als sei mit dem Schrei auch die Angst aus ihm gewichen, denn nun schloß er die Augen, seine Züge glätteten sich, und er sagte mit klarer Stimme:
     
    Rauh ist der Wind heute nacht,
    er reißt in der weißen Mähne des Meeres.
    Heut' fürchte ich die wilden Wikinger

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