Die Maenner vom Meer - Roman
seine Reiter hinter ihnen her, und diesen gelang es, die Dänen aufzuhalten, bis er mit seinem Heer angerückt war.
Niemals zuvor hatte Björn ein so großes Heer gesehen. In mehreren Wogen flutete es über das Marschland heran und stellte sich in weitem Halbkreis vor den Dänen auf. Beim Anblick der waffenstarrenden Menge sank Svens Gefolgsleuten der Mut, und einige schlugen vor, sich der drohenden Umklammerung zu entziehen, solange noch Zeit dafür sei. Doch Sven schickte Skarthi zu Torkel und ließ ihn um eine Unterredung bitten. Sie trafen sich in der Mitte zwischen den Heeren.
»Hier soll es denn wohl sein«, sagte Sven.
»Kein übler Platz«, erwiderte Torkel. »Ich habe schon auf ungünstigerem Gelände gekämpft.«
»Höre, Torkel, es wird bald dunkel sein. Laß uns, was zu tun ist, auf morgen verschieben.«
»Dagegen hätte ich nichts einzuwenden, wenn ich nicht befürchten müßte, daß du dich im Schutz der Dunkelheit davonmachst.«
»Du tust mir unrecht, indem du solche Befürchtungen hegst«, sagte Sven. »Da es mir aber kaum gelingen dürfte, sie mit Worten zu zerstreuen, schlage ich vor, daß wir uns an dieser Stelle wiedertreffen und die Nacht gemeinsam am Lagerfeuer verbringen.«
Torkel dachte eine Weile nach, dann sagte er: »Ich werde allein und ohne Waffen kommen, das gleiche verlange ich von dir.«
»Bedenke, daß für einen von uns, wenn nicht gar für beide der letzte Tag anbricht«, entgegnete Sven. »Was immer zwischen uns besprochen wird, es sollte der Nachwelt überliefert werden. Ich werde also Björn Hasenscharte mitbringen, wenn du erlaubst.«
»Meinetwegen«, sagte Torkel. »Obwohl nicht zu erwarten steht, daß der Geschichtenerzähler den morgigen Tag überleben wird.« Damit trennten sie sich.
Die Zeit bis zum Einbruch der Dunkelheit nutzte Sven, um das Gelände zu erkunden. Sie befanden sich in einer Senke zwischen zwei Hügelketten, die bis auf einen versumpften See mit mannshohem Schilf und trockenem Gras bewachsen war. An den Hängen sah man Reste menschlicher Behausungen. Oben waren die Hügel kahl, nur Moos und Flechten ließ der Seewind dort gedeihen. Nach Westen hin stieß Sven auf eine verfallene Wallanlage, die den Bewohnern des Tals als Fluchtburg gedient haben mochte. Dort schlugen die Dänen ihr Lager auf. Dann ging Sven mit Björn zu dem Platz, wo Torkel ihn schon erwartete. Als er sich vergewissert hatte, daß dieser unbewaffnet war, zog er sein Schwert und rammte es in den Erdboden. Währenddessen flüsterte er: »Hast du deine Messer bei dir?«
Björn nickte.
»Leg das eine so ab, daß er es sehen kann, das andere behalte bei dir«, sagte Sven leise. Björn steckte sein eigenes Messer neben das Schwert in den Boden, jenes aber, das Harald ihm gegeben hatte, trug er im Gürtel, als er sich nun neben Sven an das Feuer setzte.
Torkel hatte ein kleines Faß Bier mitgebracht und drei hölzerne Becher. Während er diese füllte, sagte er: »Wer wie ich mit euch Dänen Schulter an Schulter gekämpft hat, weiß, daß ihr tapfere Männer seid. Ich sah euch allerdings selten in eine Schlacht ziehen, die ihr von vornherein für verloren hieltet.«
»Das sollte dir zu denken geben, Torkel«, antwortete Sven verschmitzt.
»Ich will dir nicht vorrechnen, wie viele von meinen Männern auf einen von deinen kommen«, sagte Torkel. »Nicht jeder mag euch Dänen ein ebenbürtiger Gegner sein, aber du weißt so gut wie ich, daß du gegen eine solche Übermacht nichts ausrichten kannst, Sven Gabelbart.«
»Wäre ich dessen so sicher, wie du annimmst, säße ich jetzt nicht hier«, entgegnete Sven. »Dann hätte ich meine Männer in Grimsby eingeschifft und mich übers Meer davongemacht.«
»Hättest du es nur getan!« rief Torkel. »Mir blutet das Herz, wenn ich daran denke, daß ihr morgen allesamt ins Gras beißen müßt.«
Da sprach Sven die Strophe:
Lobe abends den Tag
nach dem Tode die Frau,
nach dem Hiebe das Schwert,
nach der Hochzeit die Maid,
bist du drüben, das Eis,
das Bier nach dem Trunk!
Dann hob er seinen Becher, und Torkel tat ihm Bescheid. Am unteren Teil der Senke, wo sie sich zum Marschland hin trichterförmig öffnete, flammten die Feuer des englischen Lagers auf. Der Wind trug vielerlei Geräusche zu ihnen herüber, durchwoben von einem gleichmäßigen Stampfen.
»Die Pikten tanzen ihren Kriegstanz«, sagte Torkel. »Sie wollen euer Blut trinken.«
»Es betrübt mich, den berühmten Torkel Wurmfraß als Anführer einer Horde von
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