Die Maenner vom Meer - Roman
nichts, und als er sich ratlos zu den anderen Greisen umwandte, schlugen sie betreten die Augen nieder.
»Ich will dir den Mann zeigen, dem ich das Amt des Wikgrafen gebe, wenn du es ablehnst«, fuhr Sven fort. Er ließ Thorgeir Bryntroll kommen.
Hengists Gesicht wechselte die Farbe, als er den Wikingerhäuptling sah. »Gott möge uns vor ihm bewahren!« stieß er hervor. »Nun entscheide dich, Hengist.«
Der Alte senkte den Kopf und starrte eine Weile gedankenverloren zu Boden. »Sie werden mich dafür steinigen«, sagte er dann. »Ich nehme das Amt an, Herr.«
»Ihr habt es gehört«, sagte Sven zu seinen Gefolgsleuten. »Nächst meinem gilt von jetzt an der Befehl des Wikgrafen. Und damit du, Hengist, bei deinen Leuten Gehör findest, will ich dir Thorgeir Bryntroll unterstellen. Er kann sehr grob werden, wenn man ihm eine Abfuhr erteilt.«
So kam es, daß Sven Gabelbart mehr erhielt, als er gefordert hatte. Denn wenn Hengist die reichen Händler nicht überreden konnte, freiwillig etwas herzugeben, drang Thorgeir Bryntroll mit seinen Wikingern in ihre Häuser ein und nahm ihnen alles. Vergeblich beschwor Hengist die Stadtbewohner, ihm die Plünderungennicht anzulasten, und ebenso erfolglos waren seine Bemühungen, Sven zum Einschreiten zu bewegen. Binnen kurzem verlor der alte Hengist so den Ruf eines Weisen und erwarb sich dafür den eines rücksichtslosen Ausbeuters. Als Sven Gabelbart Lundenwic verließ, sollte Hengist das Schicksal erleiden, das er vorausgesehen hatte: Er wurde durch die Straßen gejagt und mit Steinen beworfen, bis er tot war.
Von Königin Melkorka war zu hören, sie weigere sich halsstarrig, ein anderes Haus zu beziehen. Sven schickte Skarthi zu ihr, um den Grund zu erfahren, aber man ließ ihn nicht zu ihr vor. Da machte sich Sven selbst mit großem Gefolge auf, ihr einen Besuch abzustatten.
Die Tür des einstigen Freudenhauses stand offen, und als sie eintraten, befanden sie sich in einem fensterlosen Raum, dessen Boden mit Kissen ausgelegt war. An der gegenüberliegenden Wand kauerte eine Gestalt auf einem niedrigen Bett. Sie trug ein weißes, mit Silberfäden durchwirktes Gewand, und als sie nun den Kopf hob und sich das Haar aus der Stirn strich, sah Björn, daß es Melkorka war.
»Ich habe dich gleich am ersten Tag erwartet, Sven Gabelbart«, sagte Melkorka. »Weshalb kommst du erst jetzt?«
»Ich wollte dir Zeit lassen, in ein schöneres und größeres Haus umzuziehen, bevor ich dir meine Aufwartung mache«, erwiderte Sven. »Dieses Haus ist einer Königin nicht angemessen, Melkorka.«
»Einer Königin nicht, wohl aber einer Hure«, sagte Melkorka. »Denn was bin ich in deinen Augen anderes, da du es nicht für nötig hieltst, mich zu fragen, ob ich bei dir liegen will?«
»Schöne Melkorka«, entgegnete Sven, »ich höre, daß Unmut in deinen Worten mitschwingt. Doch laß dir versichern, daß ich nicht dich kränken wollte, sondern Aethelred, als ich zum Dank für meine Hilfeleistung eine Nacht mit dir zu verbringen verlangte. Da die Kränkung ihren Zweck erfüllt hat, wollen wir nicht mehr davon sprechen.«
»Wäre Aethelred ein Mann, hätte er meine Ehre mit demSchwert verteidigt«, erwiderte die Königin. »Aber dieser erbärmliche Feigling ist zu seinen normannischen Vettern geflohen und hat mich dir ausgeliefert, Sven Gabelbart. Willst du mich jetzt noch ein weiteres Mal demütigen, indem du vorgibst, es sei dir gar nicht um mich gegangen?«
»Die Wahrheit ist, daß mir die Begierde nach deinem Körper zu einem guten Einfall verhalf, schöne Melkorka«, gab Sven mit gewinnendem Lächeln zur Antwort. »Und du sollst wissen, daß meine Forderung als Wunsch in mir wachgeblieben ist.«
»Verfüge über mich, Sven Gabelbart«, sagte Melkorka. Sie klatschte in die Hände, woraufhin Mägde hereinkamen und rings um das Bett Kerzen aufstellten. Dann erhob sich die Königin von ihrem Lager und ließ sich entkleiden. Unter dem weißen Gewand trug sie ein weiteres aus hauchdünnem Gewebe, und als sie auch dieses abgelegt hatte, stand sie nackt im milden Licht der Kerzen. Nun holten die Mägde eine Anzahl kleiner goldener Tiegel herbei, und Melkorka sagte zu Sven: »In meiner Heimat ist es Brauch, daß der Mann den Körper der Frau salbt, bevor er ihr das erste Mal beiwohnt. Willst du, Sven Gabelbart?«
Sven hatte während ihrer Verrichtungen mehrfach Skarthis Blick gesucht, aber wie die übrigen Gefolgsleute schien dieser nur Augen für Melkorkas schönen Leib zu
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