Die Maenner vom Meer - Roman
rothaarigen Kriegern gekommen, und Melkorka habe sich auf die Seite ihrer Landsleute geschlagen und sei später mit diesen nach Irland zurückgekehrt. Es wird auch berichtet, daß sie die Geliebte ihres Vaters wurde und dieser mit ihr eine Reihe überaus schöner aber schwachsinniger Kinder zeugte. In Björns Erzählung gründet sie in der Nähe von Dyflinn ein Kloster und verbringt dort den Rest ihres Lebens in selbstgewählter Einsamkeit. Dies erzählte er jedoch nur, wenn Poppo unter seinen Zuhörern saß. Es steht demnach zu vermuten, daß er es dem Bischof zuliebe erdichtet hat.
In unserer Geschichte kommt Melkorka nun nicht mehr vor.
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VOR IHNEN LAG, vom Sonnenlicht aus dem wogenden Grau des Meeres gehoben, Jütlands Küste. Als sie näher kamen, sahen sie, daß Scharen von Menschen aus verschiedenen Richtungen zum Ufer strömten und sich dort zu einer dichten, reglos staunenden Menge vereinigten. In Windeseile hatte sich unter den Küstenbewohnern herumgesprochen, daß Sven Gabelbart mit einer riesigen Flotte von Westen käme. Mochte auch die Zahl der Schiffe hinter ihren hochgespannten Erwartungen zurückbleiben, so stimmten doch alle darin überein, daß diese Flotte um vieles größer sei als jene, mit der Sven vor geraumer Zeit in See gestochen war. Einige besonders Scharfsichtige machten Sven Gabelbart an Bord eines der Schiffe aus, und nun wandte sich die Aufmerksamkeit der Menge ihm zu, König Haralds Sohn, von dem es hieß, er habe England unterworfen und kehre mit unermeßlicher Beute heim.
Verhaltener Jubel klang auf, während Sven von zwei Männern durch das seichte Wasser an Land getragen wurde. Als er jedoch auf den eigenen Beinen stand, verstummten die Rufe, und mancher schien seinen Augen nicht zu trauen, denn gemessen an den Taten, die er vollbracht haben sollte, kam er ihnen unsagbar klein vor. Sven spürte die Enttäuschung, ließ sich jedoch nichts anmerken, sondern sprach freundlich mit den Leuten und lauschte geduldig dem Wortwechsel zweier Greise, die sich nicht einig werden konnten, wie groß Gorm der Alte gewesen war.
Inzwischen waren auch seine Gefolgsleute an Land gekommen, und Sven ging mit ihnen zu der Bucht hinüber, die er als Ankerplatz für seine Flotte ausgewählt hatte. Dort blieben sie, bis die Nachricht eintraf, daß Asser, Skjalm Hvides Sohn, mit zwanzig Schiffen die Nordspitze Jütlands umrundet hatte.
Nun brach Sven mit seinem Heer nach Süden auf. Unterwegs schlossen sich ihm etliche Großbauern mit ihren waffenfähigen Söhnen an. Sie berichteten, König Harald habe, als er von Svens Rückkehr erfuhr, im ganzen Land zum Heerbann aufgerufen, und als seiner Aufforderung nur wenige gefolgt seien, habe er sich eines uralten Brauchs entsonnen und den Kriegspfeil von Hof zu Hof geschickt. Doch auch damit habe Harald nicht die erwünschte Wirkung erzielt; es sei von den meisten eher als ein Zeichen seiner Hilflosigkeit gewertet worden. Sven Gabelbart hingegen habe sich durch die Eroberung Englands großes Ansehen erworben, und niemand zweifle mehr daran, daß das Glück von Harald auf ihn übergewechselt sei.
So zog Sven Gabelbart mit seinem Heer unbehelligt durch Jütland. Er legte nur kurze Tagesstrecken zurück; oft machte er für zwei oder drei Tage Rast und ließ die Männer im Gebrauch der Knebellanze unterweisen. Es schien, daß er, während er sich ohne Eile Jelling näherte, schon ein anderes Ziel ins Auge gefaßt hatte.
Als sie sich von den fruchtbaren Marschen ostwärts wandten und die trostlose Ödnis der jütischen Heide durchquerten, geschah es, daß Sven eines Nachts, als er vor dem Zelt sein Wasser abschlug, von einem Wurfspeer zu Boden gerissen wurde. Der Speer verletzte ihn nur leicht an der Schulter, und Sven erhob sich sogleich wieder, leichenblaß zwar, aber ohne Anzeichen von Erregung.
Der Speer steckte neben Svens Zelt im Erdboden, und sein Schaft wies in die Richtung, wo die Zelte der Gefolgsleute lagen. Skarthi befragte die Wachen; sie versicherten ihm, sie hätten so nahe beieinander gestanden, daß kein Fremder ungesehen zwischen ihnen hindurch ins Lager hätte schlüpfen können. Nun ließ Skarthi die Gefolgsleute wecken. Sie krochen schlaftrunken ausden Zelten und traten in das Licht des Lagerfeuers. Skarthi zog den Speer aus dem Boden, säuberte dessen Spitze sorgfältig vom Erdreich und ging, während er den Speer so hielt, daß jeder ihn aus der Nähe betrachten konnte, langsam vom einen zum anderen.
»Dieser Speer wurde auf Sven
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