Die Maenner vom Meer - Roman
Männern gedenkst du zu kommen?« fragte der Wortführer.
»Mit allen«, antwortete Sven.
Darüber gerieten die Händler in große Aufregung. Sie flehten Sven an, es bei einer Abordnung zu belassen, denn ihre Vorräte seien aufgezehrt, und nur ein einziger Brunnen spende noch trinkbares Wasser.
»Es war euer Fehler, daß ihr meine Männer so lange vor verschlossenen Toren stehen ließt«, entgegnete Sven. »Jetzt bleibt euch nur die Wahl, sie als Freunde oder Eroberer zu empfangen.«
Um die Mittagsstunde zog Sven Gabelbart mit seinem Heer in Lundenwic ein. Die Straßen der Stadt waren eng und winklig, und da die mächtigen Befestigungsmauern keine Ausdehnung in die Breite erlaubten, hatte man die Häuser im Laufe der Zeit zu Türmen ausgebaut, deren obere Stockwerke einander so nahe kamen, daß nur noch ein schmaler Streifen Himmel zu sehen war. Selbst bei Tage herrschte in den Gassen ein schummriges Licht, und Björn sah, wie einige Männer zu ihren Waffen griffen, um gegen einen Überfall aus dem Dunkel gewappnet zu sein.
Auf dem Marktplatz kam ihnen eine Schar ehrwürdiger Greise entgegen, die Sven mit heiseren Willkommensrufen begrüßten. Einer reichte ihm ein Stück Brot, ein anderer eine Schale mit Salz, und als sie Svens fragenden Blick bemerkten, erklärten sie, dies sei ein alter Brauch, mit dem man hochgestellte Gäste zu empfangen pflege. Sven sah Skarthi an, und als dieser nickte, streute er etwas Salz auf das Brot und aß einen Bissen.
»Ihr seht, ich achte eure Bräuche, wenn sie auch von übertriebener Sparsamkeit zeugen«, sagte Sven. »Aber wie kommt es, daß ich von Männern begrüßt werde, die wegen ihres hohen Alters auf Schonung rechnen dürfen? Hat man euch vorgeschickt, weil die jüngeren um ihr Leben fürchten?«
»Wir sind die Ältesten, Herr«, erwiderte ein hochgewachsener Greis. »Unser Wort gilt nicht mehr viel, seitdem die Kaufleute unsere Stadt beherrschen. Doch in Zeiten der Not traut man uns mehr Weisheit zu als jenen, die nur den eigenen Vorteil im Auge haben.«
»Wie heißt du?«
»Ich bin Hengist, Ingalds Sohn.«
»Du trägst einen großen Namen, Alter«, sagte Sven. »Nutze deine Weisheit, ihm Ehre zu machen, und bedenke, daß ich kein Händler bin, der eine Forderung stellt, um sich hernach mit der Hälfte zu begnügen.«
»Was verlangst du, Herr?«
»Fürs erste dies: Ich will, daß ihr meinen Männern zu essen und trinken gebt, soviel sie begehren. Ich will, daß ihr für ihre Unterkunft sorgt und es euren Frauen nicht verwehrt, das Bett mit ihnen zu teilen. Ich will, daß alle Waffen auf diesem Platz zusammengetragen werden, und ich würde eure Weisheit zu rühmen wissen, wenn sich darunter nicht weniger als hundert Knebellanzen befänden. Schließlich verlange ich ein Haus für Königin Melkorka, das sie selbst sich unter den Häusern der Reichen aussuchen soll.«
»Gib uns etwas Zeit zu beraten, Herr«, bat Hengist. Die Greise steckten tuschelnd die Köpfe zusammen. Dann trat der Alte wieder vor Sven und sagte: »Wir halten deine Forderungen nicht für unangemessen, Sven Haraldsson. Aber es steht nicht in unserer Macht, sie zu erfüllen. Wir Alten haben selbst kaum das Nötigste zum Leben, und bei den wohlhabenden Kaufleuten würden wir auf taube Ohren stoßen, wenn wir etwas von ihnen verlangten.«
»Wozu vergeudet ihr dann meine Zeit?« rief Sven erbost. »Was nützt mir eure Weisheit, wenn ihr nicht imstande seid, meine Befehle in Taten umzusetzen?« Er riß sein Pferd herum und sagte zu seinen Gefolgsleuten: »Ich werde die Stadt für drei Tage zur Plünderung freigeben.«
»Der Zorn ist ein schlechter Ratgeber, Herr«, sagte Skarthi mit gedämpfter Stimme. »Es wäre deinen Plänen nicht förderlich,wenn man dich in Lundenwic in böser Erinnerung behielte. Statte Hengist mit den Vollmachten aus, die er braucht, um deine Forderungen zu erfüllen.«
»Wenn Weisheit eine Gabe des Alters wäre, müßtest du hundert Jahre alt sein, Freund«, entgegnete Sven. Dann wandte er sich wieder an den Alten: »Höre, Hengist. Um den Bewohnern von Lundenwic mein Wohlwollen zu bekunden, will ich einen der ihren zum Wikgrafen ernennen. Bist du bereit, dieses Amt zu übernehmen, Hengist Ingjaldsson?«
»Es wäre mein Tod, Herr«, antwortete der Alte ruhig.
»Das mag sein«, erwiderte Sven. »Doch was wiegt ein Leben, das seinem Ende entgegengeht, gegenüber dem all jener, die dran glauben müßten, wenn ich die Stadt meinen Männern überließe?«
Darauf sagte Hengist
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