Die Maenner vom Meer - Roman
reden.«
»Ich will nicht verhehlen, daß ich dich im Zorn mit einem Teil meines Heeres von dannen ziehen sah, Sohn«, sagte Harald. »Nun aber, da du mit einem weit größeren Heer zurückgekehrt bist, will ich es dir nicht mehr nachtragen und dich zum Befehlshaber beider Heere ernennen.«
»Es überrascht mich, dich von zwei Heeren reden zu hören«, entgegnete Sven. »Wo hältst du das andere verborgen?«
»Mir steht nicht der Sinn nach scherzhafter Rede«, wies der König ihn zurecht. »Ich unterstelle all meine Männer deinem Befehl, außer einigen wenigen, die ich zu meinem eigenen Schutz benötige.«
»Höre, Vater«, sagte Sven, »ich ziehe nicht mit Männern in den Kampf, die ein anderer gekauft hat. Da uns ihre vielgerühmte Tapferkeit aber von Nutzen sein könnte, schlage ich vor, daß du deine Ritter selbst befehligst.«
»Ich bin ein alter kranker Mann, vergiß das nicht«, erwiderte Harald. »Soll ich mich auf einer Bahre in die Schlacht tragen lassen?«
»Wenn ich den Feind aus dem Land vertreiben soll, wirst du mich begleiten müssen, Vater«, sagte Sven. »Ich will weder dich noch deine Söldner im Rücken haben, während ich gegen den Sachsen kämpfe.«
»Du stellst dem König Bedingungen?« rief Harald, indem sein rechter Mundwinkel heftig zu zucken begann.
»Bis jetzt habe ich nur eine genannt«, antwortete Sven gleichmütig. »Doch es kann sein, daß es nicht bei dieser bleibt.«
Mehr sprachen sie an diesem Abend nicht miteinander. König Harald brütete finster vor sich hin, während Sven vom Hochsitz herab mit seinen Gefolgsleuten scherzte und zuweilen lauter lachte, als man es von ihm gewohnt war. Einmal begegnete Björn König Haralds Blick. Er wich ihm aus, aber er spürte, wie er lange an ihm haften blieb.
Später gingen Svens Gefolgsleute zu den Frauen. So kam es, daß Björn Nanna wiedersah. Ihr Körper war noch etwas üppiger geworden und wies nun auch Rundungen an Stellen auf, wo vorher keine gewesen waren. Sie zog Björn auf ihr Lager und sagte: »Was hast du mir mitgebracht, Björn Hasenscharte?«
»Nicht viel mehr als mich selbst«, erwiderte Björn.
»So gib mir das Wenige, damit es nicht heißt, du hättest umsonst mit mir geschlafen.«
Björn schenkte ihr einen silbernen Armreif und eine Handvoll Münzen von geringem Wert, und Nanna meinte, dafür pflege sie sonst allenfalls ihre Hand zu leihen, doch er, Björn, solle für diesen Hungerlohn die Wonnen arabischer Liebeskunst genießen, denn er stünde ihrem Herzen näher als jeder andere Mann. Was nungeschah, sollte Björn bis an sein Lebensende nicht vergessen. Sie hätten sich, erzählte er mit lustvollem Behagen, mit solcher Hingabe geliebt, daß Zärtlichkeit nicht mehr von Qual zu unterscheiden gewesen sei, er habe sich winseln, brüllen, verzückte Schreie ausstoßen hören, und er schwöre bei Freyrs mächtigem Glied, daß er sich nicht weniger als ein dutzendmal in Nanna ergossen habe.
Als es Morgen wurde, lagen sie erschöpft nebeneinander und sahen zu den Fledermäusen empor, die wie kleine pralle Säcke an den Dachbalken hingen.
»Weißt du noch, wie ich dir erzählte, daß ich die Tochter des Kalifen von Cordoba sei?«
»Wie könnte ich das vergessen haben, Nanna.«
»Erinnerst du dich auch, daß ich sagte, man brauche eine Wahrheit, um einer Lüge Glaubwürdigkeit zu verleihen?«
»Ich erinnere mich an jedes deiner Worte.«
»Meine Wahrheit war meine Schönheit«, fuhr Nanna fort. »Solange ich schön war, glaubte man, daß ich die Tochter des Kalifen sei, oder tat so, um mir zu gefallen. Aber jetzt werde ich fett, die Brüste hängen mir auf den Bauch herab, ich fange an, wie ein altes Weib zu riechen. Meine Schönheit schwindet dahin und mit ihr alles, wofür es sich zu leben lohnte. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit, wenn ich als Tochter des Kalifen von Cordoba sterben will.«
»Was redest du vom Sterben, Nanna!« rief Björn erschrocken. »Du bist kaum älter als ich und noch immer die schönste von allen Frauen, denen ich jemals begegnet bin.«
Ein Lächeln huschte über Nannas Gesicht. Dann sah sie ihn mit ihren schwarzen Augen an und sagte: »Würdest du mich töten, wenn ich dich darum bäte, Björn Hasenscharte?«
Die Antwort blieb ihm erspart, denn während er nach Worten suchte, war von draußen Lärm zu hören. Er eilte zur Tür und sah, daß Svens Gefolgsleute sich zum Aufbruch sammelten. An ihnen vorbei zogen die fränkischen Ritter in langer Reihe zum Tor hinaus. Auf ihren blanken
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