Die Maenner vom Meer - Roman
des Hinweises, daß der König entschlossen sei, die Gunst der Umstände zu nutzen.
»Es freut mich zu hören, daß mein Vater Pläne schmiedet, statt sich vor Gram über mich zu verzehren«, sagte Sven. »Aber weshalb schickt er dich, mir etwas mitzuteilen, was ich von ihm selbst erfahren könnte?«
»Der König ist der Ansicht, daß Eile geboten sei«, erwiderte Bue, während ihm von neuem der Schweiß ausbrach. »Er schlägt deshalb vor, daß du ohne Aufenthalt weiter nach Süden marschierst und ihr die Stadt von zwei Seiten angreift, du vom Land und er von See her.«
»Er setzt gern auf Bewährtes, der Alte«, schmunzelte Sven. »Da du aber mit Zahlen aufzuwarten versprachst: Wie groß ist sein Heer?«
Darauf antwortete Bue der Dicke, indem er die Stimme senkte und, als gelte es Vertrauliches mitzuteilen, einen Schritt näher an Sven herantrat: »Sieh dir die Männer an, die mit mir kamen. Es sind Franken, Sven Haraldsson. Jeder von ihnen hat auf dem Schlachtfeld Rühmliches geleistet. Der König hat sie durch Gilli anwerben lassen, der neuerdings mit Rittern handelt statt mit Sklaven, und da ich auch Haralds Schatzmeister bin, kann ich dir versichern, daß sie nicht billig waren.«
»Wieviele außer diesen hat er in Dienst genommen?«
»Ich will nicht übertreiben«, erwiderte Bue. »Insgesamt sind es nicht mehr als dreißig, vielleicht auch einige weniger. Aber jeder kämpft für zwanzig Mann, so daß der König, rechnet man noch seine eigenen Männer hinzu, über eine ansehnliche Streitmacht verfügt.«
»So verschwenderisch du Schweiß verströmst, so geizig bist du mit Zahlen, Bue«, sagte Sven. »Darum verlangt es mich, Haralds Heer mit eigenen Augen zu sehen. Kündige dem König meinen Besuch an.«
»Herr«, sagte Bue, und es mochte seiner Verwirrung zuzuschreiben sein, daß er Sven so anredete, »du bringst mich in eine heikle Lage! Mein Auftrag lautet, dich von Jelling fernzuhalten.«
Da lachte Sven und sagte: »Mach dich auf den Weg, Bue! Sonst bin ich da, bevor der Alte das Messer wetzen kann.«
Es war ein trüber Tag, als sie nach Jelling gelangten. Von Westen trieben tiefhängende Wolken über die Heide und tauchten das Land in ein dämmriges Licht. Sven ließ sein Heer vor dem Palisadenzaun ein Lager aufschlagen und ritt mit kleinem Gefolge zum Tor des Königshofes. Nach altem Brauch klopfte Odinkar, der unter den Gefolgsleuten der vornehmste war, mit dem Schwertknauf gegen das Tor, nannte Svens Namen und verkündete, dieser sei gekommen, König Harald seine Aufwartung zu machen. Nun öffnete sich das Tor und gab den Blick auf Styrbjörn frei, der Sven Haraldsson im Namen des Königs willkommen hieß. Sven dankte mit höflichen Worten und nannte, auch dies dem Brauch gemäß, die Namen seiner Gefolgsleute, und der Jomswikinger musterte jeden, als sehe er ihn zum ersten Mal.
König Harald erwartete sie in der großen Halle. Er saß zusammengesunken auf dem Hochsitz und bot Sven den Platz zu seiner Linken an.
»Frag mich lieber nicht nach meinem Befinden, Sohn«, sagte er mit brüchiger Stimme. »Die Antwort würde dich betrüben, und ich bin es müde, von meinen Leiden zu reden.«
»Wie du wünschst, Vater«, antwortete Sven, während er seineGefolgsleute mit verstohlenen Blicken aufforderte, sich in seine Nähe zu setzen.
»Als ob mir Alter und Krankheit nicht schon genug zu schaffen machten, hat mich auch noch der Schlag getroffen«, sagte der König. Er hob den Kopf ein wenig, und nun sah man, daß sein rechter Mundwinkel herunterhing.
»Steht es so schlimm mit dir«, sagte Sven, indem er seinen Worten eine Betonung gab, die sie zwischen Frage und Feststellung in der Schwebe ließ.
»Nun, es hätte schlimmer kommen können«, schwächte der König ab. »Zuerst war mir, als sei ich am ganzen Körper gelähmt; jetzt sind nur noch der rechte Arm und eine Seite meines Gesichts ohne Gefühl. Davon ist teilweise auch meine Zunge betroffen: Manchmal gehorcht sie mir gar nicht; dann wieder sagt sie eigenmächtig Worte, die jeglichen Sinnes entbehren. Es ist, alles in allem, kein Vergnügen, alt zu werden, Sohn. Aber nun erzähle mir, was du in England erlebt hast.«
»Björn Bosison kann es unterhaltsamer in Worte kleiden«, antwortete Sven. »Wir haben nur noch keine Zeit gefunden, uns zu verständigen, welche Ereignisse erzählt und welche besser mit Schweigen übergangen werden sollten. Deshalb fasse dich noch ein wenig in Geduld, Vater, und laß uns statt dessen über deine Pläne
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