Die Maenner vom Meer - Roman
Gabelbart geworfen«, sagte er. »Sein Schaft ist aus Zedernholz und seine Spitze vierkantig ausgehämmert. Er wurde für einen Häuptling gemacht, denn nur ein Häuptling kann ihn bezahlen. Wem gehört er?«
»Geschieht es mit deiner Billigung, daß Skarthi Männer verdächtigt, die dir oft genug ihre Treue bewiesen haben?« rief Odinkar zu Sven hinüber.
»Skarthi soll tun, was er für richtig hält«, antwortete Sven.
»Ich weiß nicht, ob ich mich gekränkt oder geschmeichelt fühlen soll«, sagte Sigurd von den Schafsinseln. »Glaubst du, mein linker Arm hätte in so kurzer Zeit die Kraft und die Treffsicherheit gewonnen, die mein rechter besaß?«
»Ich frage noch einmal«, sagte Skarthi: »Welchem von euch gehört der Speer?«
Die Männer starrten mißmutig ins Feuer, und es war nicht zu erkennen, wer aus Empörung schwieg und wer aus Furcht.
»So mag sich der Speer selbst seinen Besitzer suchen«, fuhr Skarthi fort und schleuderte den Speer senkrecht in den Nachthimmel empor. Atemlose Stille trat ein. Dann war aus der Höhe ein Wispern zu hören, das rasch zu einem flatternden Zischen anschwoll, und plötzlich machte Gryth einen Satz zur Seite. Der Speer jedoch fuhr eine Armlänge hinter Skarthi ins Feuer.
»Du hältst deinen Speer für klüger, als er ist, Gryth«, schmunzelte Skarthi, und zu Sven sagte er: »Das ist der Mann, der dich töten wollte, Herr.«
»Es ist mein Speer, das gebe ich zu«, entgegnete der Jarl. »Aber was ist damit bewiesen? Ich war mit Morcar und Leofwine in einem Zelt. Könnte nicht auch einer von ihnen meinen Speer nach Sven Gabelbart geworfen haben?«
»Die Frage kann niemand besser beantworten als du selbst«, sagteSven. Er ließ Gryth mit den Füßen nach oben an einen Baum hängen. Dort hing er zwei Tage mit aufgedunsenem Oberkörper und blaurotem Gesicht, und am dritten Tag erstickte er an erbrochenem Schleim. Nun wurde darüber gestritten, ob es als Beweis für seine Unschuld anzusehen oder mit der Angst vor der Todesstrafe zu erklären sei, daß Gryth trotz aller Qual kein Geständnis abgelegt hatte. Auch Sven selbst schien sich im Zweifel zu befinden, denn er wies seine Vertrauten an, Morcar und Leofwine zu beobachten und ihn nie mit den beiden Jarlen allein zu lassen. Nach dem Mordanschlag nahm Svens Mißtrauen krankhafte Züge an, und Björn erzählt, Sven habe sein Trinkgefäß mit einem gläsernen Boden versehen lassen, so daß er sein Gegenüber im Auge behalten konnte, wenn er den Becher an die Lippen hob.
Am östlichen Rand der Heide, nicht mehr weit von Jelling entfernt, kam ihnen ein Reitertrupp entgegen, an dessen Spitze Bue der Dicke ritt. Der Ratgeber des Königs hatte noch an Leibesumfang zugelegt, seit Björn ihm zuletzt begegnet war, und sein Pferd atmete hörbar auf, als Bue sich von seinem Rücken wälzte. Die Männer, die ihn begleiteten, trugen blitzende Rüstungen unter langen Mänteln und hatten ihr Haar zu Zöpfen geflochten. Daraus schlossen Svens Gefolgsleute, daß es Franken seien.
Bue der Dicke trat in gebeugter Haltung vor Sven hin, und Björn sah, daß ihm, obwohl es nicht sonderlich warm war, der Schweiß in Strömen über das feiste Gesicht rann. Seine winzigen, in pralle Hautwülste gebetteten Augen waren schräg nach oben auf Sven gerichtet, während er, wie es die Form verlangte, darauf wartete, daß dieser das Wort an ihn richtete.
»Ist dir heiß, Bue?« fragte Sven. »Oder schwitzt du unter der Bürde eines Auftrags?«
»Das eine ist, daß ich dir die Grüße König Haralds, deines Vaters, überbringen soll, Sven Haraldsson«, antwortete der Dicke feierlich.
»Dafür hättest du dich nicht herzubemühen brauchen, denn ich bin auf dem Weg zu ihm«, sagte Sven. »Und was ist das andere?«
Dies bedürfe etwas breiterer Ausführung, entgegnete Bue und wischte sich den Schweiß von Stirn und Nase. Aus sicherer Quelle habe man erfahren, daß der Sachsenkaiser Otto, der zweite dieses Namens, in schwere Kämpfe mit Sarazenen und Byzantinern verwickelt sei. Um der drohenden Niederlage zu entgehen, habe er alle verfügbaren Truppen nach Süditalien beordert und Hermann den Billunger damit betraut, die Ostgrenze des Reiches gegen die Slawen zu sichern. Dadurch sei das ganze Land nördlich der Elbe nahezu von Feinden entblößt, und selbst die Stadt werde nur noch von einigen Dutzend sächsischer Ritter bewacht. Nach dieser Darlegung, die er im einzelnen mit verläßlichen Zahlen zu untermauern imstande sei, bedürfe es wohl kaum noch
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