Die Maenner vom Meer - Roman
der ihm am nächsten saß, den Kopf von den Schultern. Ein zweiter galt Sigurd von den Schafsinseln. Dieser wich ihm jedoch aus, und die Axt grub sich in die eichene Tischplatte. Nun trat Thorgeir Bryntroll ihm entgegen. Er stieß sein Messer in Tryns Hüfte, aber dieser riß die Axt aus dem Tisch und richtete sie gegen den Wikinger. Mit einer Behendigkeit, die man dem vierschrötigen Mann nicht zugetraut hätte, sprang Thorgeir Bryntroll über den Tisch und entging so dem sicheren Tod. Denn der Hieb, der ihm gegolten hatte, war mit solcher Kraft geführt, daß er einen der mächtigen Stützbalken fällte. Eine Staubwolke senkte sich von der Decke herab und hüllte alles in wirbelnde Schwaden. Jetzt faßten Svens Gefolgsleute Mut und drangen von mehreren Seiten zugleich auf Tryn ein. Einer traf ihn am Nacken, ein anderer schlug ihm ein Ohr ab, doch der Berserker stürmte unverdrossen weiter in die Richtung, wo er Sven Gabelbart vermutete. Sein Körper, erzählt Björn, sei mit klaffenden Wunden bedeckt gewesen, aber dies habe seiner blindwütigen Raserei keinen Abbruch getan, sondern sie noch in einem Maß gesteigert, daß selbst die Tapfersten vor ihm zurückgewichen seien. So kam es, daß Tryn plötzlich Sven Gabelbart gegenüberstand. Dieser saß wie versteinert auf dem Hochsitz; mit einer Hand hatte er den Knauf des Schwertes umklammert, das quer über seinen Knien lag. Tryn hielt einen Augenblick inne, als sammle er alle Kraft, den tödlichen Hieb zu führen, dann schlug er zu. Sven duckte sich, dieAxt verfehlte ihn um Haaresbreite und durchschnitt einen der Pfosten des Hochsitzes. Da geschah es, daß Tryn, während er erneut zum Schlag ausholte, von einem herabstürzenden Balken am Kopf getroffen wurde. Mit einem tiefen Seufzer brach er zusammen. Thorgeir Bryntroll war der erste, der seine Verblüffung überwand; er stürzte sich auf Tryn und bohrte ihm die Spitze seiner Streitaxt ins Herz. Aber nun bäumte sich Tryn noch einmal auf, packte den Wikinger am Bein und schleuderte ihn mit solcher Wucht gegen die Wand, daß er ihm das Genick brach.
»Das war kein schlechter Sprung für einen alten Mann«, sagte Thorgeir Bryntroll, bevor er starb.
»Bei uns auf den Schafsinseln gilt ein toter Berserker nicht für weniger gefährlich als ein lebender«, sagte Sigurd. »Wir kennen aber auch ein Mittel, ihn zu bannen.« Nach diesen Worten stellte er sich breitbeinig über den toten Tryn und pißte ihm ins Ohr.
Svens Gesicht war kreideweiß. Seine Hand, die noch immer den Schwertknauf umklammert hielt, zitterte. Wie jemand, der längere Zeit den Atem angehalten hat, holte er tief Luft und sagte: »Schafft die Toten hinaus und laßt mich allein. Aber haltet euch bereit, ich werde euch bald brauchen.«
Im Morgengrauen wurde Björn durch ein Pochen an der Tür geweckt. Als er öffnete, stand Styrbjörn vor ihm.
»Du, Styrbjörn?« sagte Björn überrascht. »Was hat es zu bedeuten, daß du mich zu so früher Stunde weckst?«
»Zieh dir etwas Warmes an; auf dem Meer weht ein kalter Wind«, entgegnete der Jomswikinger und drängte ihn in die Schlafkammer. Asfrid richtete sich im Bett auf und sah teilnahmslos zu, wie Björn sich ankleidete.
»Eben träumte ich von dir«, murmelte sie schlaftrunken. »Du schnittst einem Kind das Herz aus der Brust.«
Björn warf eine Handvoll Silbermünzen auf das Bett und sagte: »Geh sparsam damit um. Es kann sein, daß ich länger fortbleibe.«
»Es war mein Kind«, sagte Asfrid.
Styrbjörn führte ihn zum Hafen hinunter. Am äußersten Ende des Stegs lag Björns Knorr, und in ihm sah er zwei in Decken gehüllte Männer sitzen. Als er an Bord gestiegen war, entblößten die Männer ihre Gesichter. Es waren König Harald und Bue der Dicke.
14
ES WAR, ALS HÄTTE das Meer alles Licht in sich aufgesogen. Perlmuttfarben schimmerte es unter einem Himmel von stumpfem Schwarz. Das Segel hing schlaff und schwer von Nässe. Den ganzen Tag über hatte es in Strömen geregnet. Jetzt mochte es Abend sein oder vielleicht schon Nacht; unter dem unaufhörlich niederprasselnden Regen hatte Björn das Zeitgefühl verloren.
König Harald hockte zusammengekauert vor dem Mast. Bislang hatte er schweigend und regungslos dagesessen, aber nun streckte er eine Hand unter der durchweichten Decke hervor und winkte Björn mit einer trägen Gebärde zu sich.
»Hörst du das Knirschen?« Er drehte seinen Kopf langsam hin und her, und tatsächlich vernahm Björn ein Geräusch, als ginge jemand über
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