Die Maenner vom Meer - Roman
Schatten.
Sie streckten sich auf den Teppichen aus, und Harald fragte: »Willst du heute nacht nicht bei deiner Frau liegen, Styrbjörn?«
»Mir scheint, daß ich hier besser aufgehoben bin als in ihrem Bett«, antwortete der Jomswikinger. »Wenn ihr eigener Bruder sie schrullig nennt, muß man sich auf Schlimmeres gefaßt machen.«
»Mistui ist fett und träge geworden. Er wird nicht leicht dafür zu gewinnen sein, gegen den Zwerg in den Krieg zu ziehen«, murmelte der König. »Womit könnte ich ihn ködern, Styrbjörn? Soll ich ihm eine der östlichen Inseln als Belohnung versprechen?«
»Für ein Versprechen würde Mistui nicht den kleinen Finger rühren«, sagte Styrbjörn. »Du hast nur einen Köder, auf den er beißt, Herr: seine Rachsucht.«
»So dachte ich auch«, seufzte der König. »Aber wie es aussieht, läßt er sie auf kleiner Flamme schmoren. Da ich den Tag nicht mehr erleben werde, an dem Mistuis zweite Brut imstande ist, den Tod seiner ersten zu rächen: Wie soll ich aus deinen Worten Hoffnung schöpfen?«
»Hättest du mich, wie es mir zukommt, um Rat gefragt, wärst du zuversichtlicher gestimmt, Herr«, ließ sich Bues Fistelstimme vernehmen. »Denn statt auf Mistuis Rachsucht zu setzen, sollten wir der Tatsache Beachtung schenken, daß Mistui seinem Furzdeuter blindlings vertraut. Wenn dieser ihm riete, in Dänemark einzufallen, würde Mistui nicht lange zögern. Man müßte Jaczko also dazu bringen, daß er Mistuis Winde auf eine Weise deutet, die deinen Absichten entgegenkommt.«
»Glaubst du, wir könnten ihn bestechen?«
»Die Frage ist nur, womit. Überlaß es mir, das herauszufinden, Herr.«
Dies war jedoch schwieriger, als Bue angenommen hatte. Denn durch sein Amt war Jaczko gezwungen, sich stets im Windschatten seines Herrn aufzuhalten, und es hieß, daß er sogar neben Mistui schlief, damit ihm kein nächtlicher Furz entgehe. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, mit Jaczko ein Gespräch unter vier Augen zu führen, überraschte Bue den Furzdeuter eines Tages im Pferdestall,wo er einer schönen jungen Stute den Hengst machte. Bue erzählte, Jaczko habe sich bei dieser Verrichtung nicht im geringsten stören lassen, sondern sei keuchend und vor Anstrengung schwitzend zum Erguß gekommen. Hinterher habe der Furzdeuter ihn jedoch gebeten, den Vorfall für sich zu behalten, und ihm sei Erleichterung anzumerken gewesen, als Bue dies zugesagt habe. Seitdem sah man Bue und Jaczko zuweilen miteinander tuscheln, und Mistui begann immer häufiger davon zu reden, daß es bald an der Zeit sei, Vergeltung zu üben.
Zwischen der Jomsburg und der Stadt am Ende der Förde bestand ein reger Handelsverkehr. So konnte Sven Gabelbart nicht verborgen bleiben, wo sich sein Vater aufhielt. Doch schien er mit wichtigeren Dingen beschäftigt zu sein, als Harald in seinem Schlupfwinkel aufzuspüren. Händler berichteten, Sven Gabelbart habe im Norden Jütlands und auf den Inseln eine Anzahl kreisrunder Wallanlagen bauen lassen, die ständig mit einigen Hundertschaften besetzt seien. Ob diese dort für den Angriff auf ein anderes Land ausgebildet wurden oder das eigene vor fremden Heeren schützen sollten, war nicht in Erfahrung zu bringen. Des weiteren wurde erzählt, daß Sven eine Tochter des Königs von Uppsala geheiratet habe und sie bereits guter Hoffnung sei. Sven, hieß es, sei überzeugt, daß seine Frau ihm einen Sohn schenken würde, und er habe öffentlich verkündet, daß dieser als Sohn des Königs von Dänemark zur Welt kommen werde.
Mistui vermerkte anfangs befremdet, bald aber mit wachsendem Verdruß, wie sehr solche Nachrichten seinen alten Freund in Zorn versetzten. Statt in geselliger Runde von alten Zeiten zu reden und Geschichten zu erzählen, mußte er Haralds Tobsuchtsanfälle über sich ergehen lassen, sah er sich genötigt, den Schmähungen beizupflichten, mit denen der Vater den Sohn bedachte. So gern er seinen eigenen Gefühlen freien Lauf ließ, so widerwärtig fand Mistui die Gefühlsausbrüche anderer. Wir vermuten daher, daß Haralds zügellose Raserei Mistui auf den Gedanken brachte, seinen Freund mit einer Aufgabe zu betrauen, die dessen häufige Abwesenheit erforderte.Eines Abends, als Harald nach langem Gezeter schluchzend in sich zusammengesunken war, bat er ihn, die Obodriten das Seeräubern zu lehren.
Harald faßte sich erstaunlich schnell und maß Mistui mit tränenfeuchtem Blick. »Was soll ich deinen Leuten noch beibringen, Bruder?« fragte er, indem er seiner
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