Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
Vom Netzwerk:
habe. Nach allem, was man von ihr erzählt, wäre nun zu vermuten, daß sie ein Mannweib sei. Doch wer sie gesehen hat, wird nicht müde, ihre Schönheit zu rühmen. Kennst du sie, Björn Hasenscharte?«
    »Nicht so gut, wie ein Vater seine Tochter kennen sollte«, erwiderte Björn.
    »Sieh an!« verwunderte sich Gaut. »Du bist Vigdis' Vater, der Alte ist König Harald, jener dort der letzte der sagenhaften Jomswikinger - wie es scheint, befinde ich mich in guter Gesellschaft.«
    »Solche Ehre wird einem Seeräuber selten zuteil«, sagte Björn. »Vergiß nicht, wem du das verdankst.«
    Über den weiteren Verlauf der Reise ist nur soviel zu berichten, daß Gaut sich als ein überaus nützlicher Gefährte erwies. Er kannte die Schlupfwinkel der Wikinger und die Untiefen vor den Flußmündungen, er zeigte Björn Landmarken, nach denen dieser den Kurs festlegen konnte, er wußte, wo es frisches Wasser gab und Bauern, die nicht auf Bezahlung drängten, wenn das Schiff mit dem Drachenkopf am Ufer lag. Außerdem steckte Gaut voller Geschichten. Sie handelten von den Raubzügen der Wikinger, von Mord und Plünderung. Doch erzählte er sie so, daß sie auf unerklärliche Weise erheiternd wirkten. Mehr als einmal bemerkte Björn ein schiefes Lächeln auf Haralds Gesicht, und selbst der finstere Styrbjörn lauschte mit stillem Vergnügen. Björn hingegen vermißte an Gauts Geschichten den Stachel, der eine Erzählung davor bewahrt, daß sie unbedacht verschlungen wird.

15
    EIN DÜSTERER STEINKLOTZ inmitten sumpfiger Wiesen, mächtige, vom Seewind glattgeschliffene Mauern, efeuberankte Türme über zerbröckelnden Zinnen: so bot sich die Jomsburg ihren Augen dar, als sie das vorgelagerte Kap umschifft hatten. Sie war einst von Palnatoki erbaut worden, der von Fünen fliehen mußte und die Landschaft Jom vom Wendenkönig zum Geschenk bekam. Palnatoki gab ihr den Namen Jomsburg, während die Slawen sie Jumne nannten. Sie verfügte über eigene Brunnen und große Vorratslager; ihr Hafen bot Platz für dreihundert Schiffe und war mit eisernen Toren versehen, die im Falle eines Angriffs geschlossen werden konnten. Als die Jomswikinger die Burg für immer verlassen hatten, nahm der Obodritenkönig Burislav sie in Besitz und nach ihm sein Sohn Mistui.
    Mit geschwelltem Segel lief das Schiff in den Hafen ein. Am Kai stand ein dürrer Mann, der sie zu erwarten schien. Er hatte seinen Oberkörper nach vorn gebeugt und suchte mit wedelnden Armen ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Styrbjörn fragte ihn, was das Fuchteln zu bedeuten habe, und der Mann antwortete in kaum verständlicher Sprache, er sei von König Mistui geschickt worden, König Harald und seine Begleiter willkommen zu heißen und in die Burg zu führen. Ohne sich aufzurichten, ging er ihnen voran. Hier flechten wir ein, daß Jaczko, so hieß der dürre Mann, die gekrümmte Haltung nicht aus Unterwürfigkeit oder infolge einesGebrechens einnahm, sondern sie als Hinweis auf das Amt verstanden wissen wollte, durch das er sich das besondere Vertrauen des Obodritenkönigs erworben hatte.
    Sie gingen durch schmale, schummrige Gänge, deren Wände vom Ruß der Fackeln geschwärzt waren. Die Mauern strömten eine feuchte Kühle aus und den fauligen Geruch von Pilzen. Am Ende einer steilen Treppe öffnete Jaczko eine Tür und ließ ihnen den Vortritt.
    In der Mitte eines mit Teppichen ausgelegten Raumes saß König Mistui. Die obere Hälfte seines runden Kopfes war kahl, während die untere von einem üppigen grauen Bart umwuchert war. An seinen Ohrläppchen hingen handtellergroße goldene Ringe, sonst trug er keinen Schmuck. Er musterte sie schweigend aus seinen schräggestellten Augenschlitzen, dann erhob er sich und ging ihnen mit kleinen schnellen Schritten entgegen. Jetzt sah man, daß auch sein Körper von kugeliger Gestalt war, und wenn Björn später von Mistui erzählte, verstieg er sich gelegentlich zu der Behauptung, der Obodritenkönig sei nicht höher als breit gewesen. Kaum daß Mistui aufgestanden war, hatte Jaczko sich hinter ihn gestellt und war ihm in gebückter Haltung gefolgt.
    Mistui umarmte Harald und zog seinen Kopf zu sich herunter, damit er ihn auf die Wangen küssen konnte. »Verzeih mir, Bruder«, sagte er, »daß ich dich nicht selbst am Tor empfing. Aber ich lag auf einer Frau, als mir deine Ankunft gemeldet wurde, und ich bin nicht mehr so jung, daß ich zum zweiten Mal an einem Tag auf ein strammes Glied hoffen kann.« Nun wandte er sich

Weitere Kostenlose Bücher