Die Maenner vom Meer - Roman
schwingend, gleichsam mit jedem Schritt ihrer zierlichen Füße darauf pochend, daß sie die wahre Tochter des Kalifen von Cordoba sei, verließ Nanna Swains Haus. In Bues Gefolge wurdenRufe laut, die teils Nannas Schönheit, teils Bues unersättlicher Liebesgier galten, denn jeder seiner Männer wußte, daß der sonst so mißtrauische Ratgeber des Königs für Schmeicheleien dieser Art empfänglich war.
Nach dem Besuch Bues des Dicken legte sich Swain auf sein einsames Lager. Er nahm nichts außer Wasser zu sich, sprach nicht, bewegte sich nicht, blickte starr wie ein Toter, dem man die Augen zu schließen versäumt hat, zur Decke empor. Björn fragte ihn jeden Tag nach seinem Befinden, seinen Wünschen, aber er erhielt keine Antwort. Erst als er dem leblos daliegenden Kammacher vom Saft der Stranddistel zu trinken gegeben hatte, fiel Swain in tiefen Schlaf. Am nächsten Morgen erwachte er zur gewohnten Stunde und machte sich gleich darauf an die Arbeit.
In der Stadt ging das Gerücht, daß Bue der Dicke gekommen war, den Besuch des Königs vorzubereiten. Bue selbst ließ nichts dergleichen verlauten; er pflegte alle Fragen nach den Reiseplänen des Königs damit zu beantworten, daß dieser sich im Norden Jütlands aufhalte, um dort persönlich die Aufstellung eines Heeres zu beaufsichtigen, an dessen Spitze er nach Norwegen überzusetzen gedenke. Da Bue selten eine Auskunft gab, die ihm keinen Nutzen brachte, wurde angenommen, daß er seine Geschäfte abwickeln wollte, ohne eine durch die Ankündigung königlichen Besuchs bewirkte Teuerung in Kauf nehmen zu müssen. Dennoch trug Bue selbst dazu bei, daß sich das Gerücht von Tag zu Tag verdichtete, denn kaum in der Stadt angelangt, ließ er seine Spitzel ausschwärmen und jeden überwachen, in dem er, sei es seiner Vergangenheit, seiner Abstammung oder unbedachter Äußerungen wegen, einen Feind des Königs vermutete.
Bischof Horath blieb nicht lange verborgen, weshalb sich der mächtige Ratgeber des Königs herabgelassen hatte, den Kammmacher in seiner Werkstatt aufzusuchen. Denn wie Bue unterhielt auch der Bischof eine Schar von Zuträgern, die er, je nach dem Wert, den er einer Neuigkeit beimaß, zu bezahlten pflegte. In diesem Fall war es der Wikgraf, den der Bischof für seinen Augenzeugenberichtmit einer Handvoll Halbbrakteaten belohnte. Damit aber der Nachruhm des Wikgrafen keinen Schaden nehme, versichern wir, daß dieser achtbare Mann aus verletzter Ehre handelte, denn Bue hatte ihm zuvor, um sein Stillschweigen zu erkaufen, einen Betrag ausgehändigt, den der Wikgraf für einen Mann von königlichem Geblüt als kränkend empfand.
So kam es, daß kurze Zeit nach Bues Besuch ein Abgesandter Bischof Horaths in Swains Werkstatt trat, ein Priester namens Poppo, der, weil wir ihm in unserer Geschichte noch oft begegnen werden, eine ausführlichere Beschreibung verdient. Er brauchte seinen Namen nicht zu nennen, denn in der Stadt kannte ihn jedes Kind. Poppo stand in dem Ruf, jeden noch so verstockten Heiden zum christlichen Glauben bekehren zu können. Dabei kam ihm nicht nur seine Beredsamkeit zustatten, um die ihn sogar der keineswegs mundfaule Bischof beneidete, sondern vor allem seine jedes übliche Maß überschreitende Trinkfestigkeit. Poppo durfte sich rühmen, schon zu Lebzeiten Eingang in den Sprichwörterschatz gefunden zu haben, und noch hundert Jahre später pflegte man von einem standhaften Trinker zu sagen, daß er saufen könne wie Poppo. Wenn auch einiges darauf hindeutet, daß es Poppo Vergnügen bereitete, seine Trinkfestigkeit unter Beweis zu stellen, so steht doch außer Zweifel, daß er im Trinken ein vergleichsweise barmherziges Mittel sah, aus Heiden Christen zu machen. Statt die Ungläubigen mit Feuer und Schwert zu bekehren, bewies Poppo die den heidnischen Götzen überlegene Macht seines unsichtbaren Gottes damit, daß er, nachdem er diesen um die Gnade der Nüchternheit angefleht hatte, ganze Horden hartgesottener Säufer unter den Tisch trank. Das überzeugte, und es ist kein Fall überliefert, daß jemand, der sich, aus dem Rausch erwachend, in die Gemeinde Christi aufgenommen sah, vom Recht des Widerrufs Gebrauch machte.
Da der Schatten des Erfolges bekanntlich der Neid ist, blieb es nicht aus, daß manche in Poppos Trinkfestigkeit nicht eine Gnade Gottes sahen, sondern ein Geschenk des Teufels. Man munkelte,Poppo stünde insgeheim im Dienst jener finsteren Mächte, die er in Christi Namen zu bekämpfen vorgab. Von irischen
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