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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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Dieser schickte einen Mann zu den Zelten hinüber, der die Bewohner unter Androhung von Gewalt auffordern sollte, ihre Zelte abzubrechen und weiterzuziehen. Denn ohne seine, des Wikgrafen, Erlaubnis war es streng untersagt, in Sichtweite der Stadt ein Lager aufzuschlagen.
    Sie sahen, wie der Mann das Lager einmal in dieser, einmal in jener Richtung durchquerte und dann, offenbar auf einen Wink hin, eines der Zelte betrat. Er kam nicht wieder daraus hervor, und den Ereignissen vorgreifend fügen wir hinzu, daß er seitdem für immer verschwunden blieb.
    Nach einer Weile vergeblichen Wartens traf der Wikgraf die Entscheidung, das Zeltlager anzugreifen. Er ließ das Tor öffnen und ritt, von einigen Bogenschützen gefolgt, auf die Heide hinaus. Halbwegs zwischen Wall und Lager jedoch wechselte der Trupp jäh die Richtung und kehrte auf dem kürzesten Wege in die Stadtzurück. Die auf dem Wall Stehenden brauchten nicht nach dem Grund für den fluchtartigen Rückzug zu fragen, denn sie sahen mit eigenen Augen, daß plötzlich ein Heer vor der Stadt stand, das auf ähnlich rätselhafte Weise wie die Zelte aus dem Boden gewachsen zu sein schien.
    Es waren kleine, spärlich bekleidete und, soviel man auf die Entfernung erkennen konnte, braunhäutige Männer, die sich hinter Baumstümpfen und niedrigem Buschwerk verborgen haben mußten. Einige waren mit Speeren bewaffnet, deren Länge ihre Körpergröße um mehr als das Doppelte übertraf, andere mit Pfeil und Bogen. Sie verharrten reglos, bis das Westtor wieder geschlossen worden war. Dann legten sie ihre Waffen fort und begannen, mit unglaublicher Schnelligkeit weitere Zelte zu errichten. Bald war die Heide vor der Stadt mit spitzen grauen Kegeln übersät - einem Meer vergleichbar, das gegen die Strömung vom Sturm aufgepeitscht wird. All das ging in völliger Lautlosigkeit vor sich, und für die Bewohner der Stadt, die sich nun in großer Zahl auf dem Wall drängten, war nicht auszumachen, wessen Befehl die Fremden gehorchten.
    Bue der Dicke kam, eingezwängt in ein Kettenhemd und reichlich versehen mit kriegerischer Ausrüstung. Er ließ Halldor zu sich rufen und hörte schweigend, was dieser über das Nomadenvolk zu berichten wußte.
    Obgleich er sich nicht dafür verbürgen könne, sprächen etliche Anzeichen dafür, daß es jenes Volk sei, das ihn einst bei sich aufgenommen hatte, sagte Halldor. Er habe einige Monate bei dem Volk verbracht, während deren es, immer nur wenige Tage an einem Platz verweilend, große Entfernungen zurückgelegt habe. Da sich die Nomaden mehr mit Gebärden und Blicken als durch Worte zu verständigen pflegten, sei es ihm nicht gelungen, ihre Sprache soweit zu erlernen, daß er manches Rätselhafte durch Fragen habe ergründen können. Dazu gehöre, daß sie vornehmlich nachts wanderten und selbst bei völliger Dunkelheit ihren Weg fänden, noch dazu mit einer Geschwindigkeit, die es mit der eines Reiterheeresaufnehmen könne; dazu gehöre weiterhin die seltsame Art ihres Zusammenlebens, das statt Familien nur Sippen kenne, in denen die Frauen, und unter diesen wiederum die ältesten, den Ton angäben; und dazu zähle, um aus vielen unerklärlichen Eigenarten die erstaunlichste herauszugreifen, daß sie sich dem Willen eines mit unumschränkter Macht ausgestatteten Herrschers unterzuordnen schienen, daß aber keiner von ihnen sich als solcher zu erkennen gebe. In Verhandlungen mit fremden Völkern pflege stets ein anderer die Rolle des Sprechers zu übernehmen, zuweilen auch eine anscheinend bunt zusammengewürfelte Schar von Frauen und Männern, gelegentlich sogar ein Kind. Er, Halldor, warne allerdings davor, dies als ein Zeichen der Schwäche anzusehen, denn wenn es den Nomaden auch an sichtbarer Führung mangle, so habe er es doch nie erlebt, daß sie einen Gegner nicht mit List, Kampfesmut und einer beispiellosen Grausamkeit überwunden hätten. So sprach Halldor, und da er als ein vertrauenswürdiger Mann galt, sah man einige Kaufleute in ihre Häuser eilen, um ihre Flucht vorzubereiten.
    Auf Bues Stirn bildeten sich Schweißtropfen. Da es noch kühl war, wurde dies von seinen Gefolgsleuten als ein Zeichen seiner Ratlosigkeit gedeutet. Einer schlug vor, das trockene Gras außerhalb des Walles in Brand zu setzen und alles weitere dem günstigen Ostwind zu überlassen; ein anderer erbot sich, dem Gesindel mit einer Handvoll ausgesuchter Männer den Garaus zu machen, doch Bue brachte beide mit einer Handbewegung zum Schweigen und gab den

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