Die Maenner vom Meer - Roman
Mönchen wollte man gehört haben, daß Poppo wegen Zauberei zum Tode verurteilt worden sei, sich der Hinrichtung jedoch mit Hilfe eines feuerspeienden Greifen habe entziehen können. Ein Händler aus Samarkand ließ verlauten, Poppo ähnle aufs Haar jenem Tempelpriester, der ihm aus den Eingeweiden frischgeschlachteter Jungfrauen die Zukunft gedeutet habe. Als den Händler kurz darauf der Schlag traf, diente dies Poppos Neidern als Beweis, daß der trinkfeste Priester sich dem Leibhaftigen verschrieben habe und von diesem dafür mit teuflischen Kräften ausgestattet worden sei. Sie ersuchten den Bischof, Poppo entweder der Teufelsaustreibung zu unterziehen oder ihn, falls er sich weigere, auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Nun war Bischof Horath ein Mann, der gründlich nachzudenken pflegte, bevor er eine Entscheidung traf, und dieser Angewohnheit verdankte es Poppo, daß er bislang, allen Anfeindungen zum Trotz, von peinlicher Befragung und Schlimmerem verschont geblieben war.
Barfüßig und mit einer Kutte bekleidet, deren grobgewirkte Fasern einen Geruch verströmten, wie er alten, an der Sonne getrockneten Bierfässern anhaftet, betrat nun also Poppo die Werkstatt des Kammachers. Er war in aufgeräumter Stimmung, in den Falten seines roten Gesichts nistete Heiterkeit, man sah ihm an, daß er, obwohl es noch früh am Tag war, bereits seines feuchtfrommen Amtes gewaltet hatte, aber plötzlich schien er sich seines Auftrags zu erinnern, und Furchen des Zorns gruben sich in seine Stirn. »Alle Zähne sollen dir ausfallen, bis auf einen für das Zahnweh!« fuhr er Swain an. »Welcher Troll hat dich geritten, als du Bue das Versprechen gabst, deine Kämme nur noch ihm zu verkaufen? Was nützen dir alle Reichtümer dieser Welt, wenn du in der Hölle schmorst? Denn wisse: Dies wird dein grauenvolles Los sein, wenn du der Fürbitte meines hochwürdigen Herrn verlustig gehst!«
Als er Swains erschrockenes Gesicht sah, glättete ein Lächeln Poppos Züge. »Du bist ein freier Mann, Swain«, fuhr er mit sanftererStimme fort, »du kannst deine Sachen verkaufen, wem du willst. Der Bischof würde dich in sein Gebet einschließen, wenn du ihm, wie bisher, die schönsten deiner Haarnadeln und Kämme überließest. Und siehe, Swain: Die Fürbitte des Bischofs wiegt mehr als die Gunst des dicken Bue, ja, selbst als die des Königs, denn sie reicht von hier bis in alle Ewigkeit.«
Darauf erwiderte Swain: »Mit der Ewigkeit weiß ich nichts anzufangen, Poppo; meine Gedanken sind zu kurz für etwas, was kein Ende hat. Dagegen fällt es mir leicht, mir auszumalen, wozu Bue imstande wäre, wenn ich mich seinem Willen widersetzte. So habe ich nur die Wahl, schon zu meinen Lebzeiten Höllenqualen zu erleiden oder erst nach meinem Tode. Wobei letzteres«, fügte er listig hinzu, »den Vorteil der Ungewißheit für sich hat.«
»Du würdest einen guten Christen abgeben, Swain«, schmunzelte der Priester. »Der allmächtige Gott mag Männer mit Witz. Deshalb werde ich dich mit seiner Hilfe eines Tages taufen, und wenn es mich ein ganzes Faß Bier kosten sollte.« Dann trat er zu Björn und sagte: »Gestern begegnete ich einer schönen Sklavin. Sie trug eine Nadel im Haar, die nicht von dir gemacht war und dennoch von großer Kunstfertigkeit zeugte. Ist es wahr, daß dein junger Gehilfe sie geschnitzt hat, Swain?«
Der Kammacher nickte, ohne von seiner Arbeit aufzusehen.
Poppo beugte sich zu Björn herab: »Eine Haarnadel wie diese würde den Bischof in Entzücken versetzen, mein Sohn. Es liegt nun bei Swain zu entscheiden, ob das Versprechen, das er unklugerweise Bue dem Dicken gab, auch für dich gelten soll.« Björn blickte den Priester an, und dieser zog einen seiner Mundwinkel zu einem verschmitzten Lächeln empor.
Als Poppo gegangen war, legte Swain die Spitze eines Walroßzahns vor Björn auf die Werkbank. Er sagte nichts, aber Björn wußte, daß der Meister ihn von nun an als seinesgleichen betrachtete.
7
EINES MORGENS, als der Frühnebel sich zu lichten begann, bemerkte die Wache am Westtor eine Anzahl grauer Zelte, die über Nacht vor der Stadt errichtet worden waren. Die spitzen Kegel nahmen sich seltsam fremd aus auf der weiten, spärlich bewachsenen Heide. Einer von der Wachmannschaft namens Halldor, den es einst über Miklagard hinaus nach Osten verschlagen hatte, glaubte in den Zelten die Behausungen eines Nomadenvolkes wiederzuerkennen, das ihm eine Zeitlang Unterschlupf gewährt hatte. Man weckte den Wikgrafen.
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