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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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Worten zu entdecken. Sie sagt, Bues Eier würden verdorren und ihm wie faule Früchte von den Lenden fallen, wenner nicht klug genug sei, die Freundschaft der Riesenschlange zu gewinnen.«
    »Ich bin es nicht gewohnt, daß man in Rätseln zu mir spricht«, erwiderte Bue unwillig, während Schweißperlen über sein Gesicht rannen.
    Da sagte Poppo: »Du darfst nicht zu wörtlich nehmen, was sie deinen Hoden prophezeite, Bue. Ich deute ihre Worte so, daß sie dir rät, dich ihrem Volk gegenüber zu deinem und unser aller Vorteil wie ein Freund zu verhalten.«
    »Aber war nicht auch von Klugheit die Rede?« fragte der Bischof, über seine gefalteten Hände gebeugt. »Und wäre dies, wollte man sie von Bue erwarten, nicht dasselbe, wie dem Teufel Frömmigkeit abzuverlangen?«
    Diesmal war es Bue, der eine Antwort schuldig blieb, denn die Nomaden waren unversehens vorgerückt und hatten den Wikgrafen und seine Männer an den Rand des Wassergrabens gedrängt. Dieser war erst vor kurzem auf eine Tiefe ausgeschachtet worden, daß selbst hochgewachsene Männer, auf seiner Sohle stehend, nicht ihren Kopf aus dem Wasser heben konnten. Bue mußte also schnell handeln, wenn er vermeiden wollte, daß seine Leute in den Graben gestoßen wurden. Er wandte sich an Halldor: »Sag ihr, daß ich sie zum Beweis unserer Freundschaft mit Geschenken überhäufen werde, wenn sie mir genügend Zeit geben, diese zu beschaffen.«
    Stockend übersetzte Halldor Bues Worte, worauf die Nomaden in lautes Lachen ausbrachen. Die alte Frau wußte ihre Heiterkeit offenbar nicht anders zu zügeln, als daß sie zu tanzen begann; mit ausgebreiteten Armen drehte sie sich im Kreis und stieß spitze Schreie aus.
    »Laßt euch nicht durch ihr Lachen täuschen!« rief Halldor zum Wall hinauf. »Was sie erheitert, ist sehr verschieden von dem, was uns Vergnügen bereitet. Sie lachen sogar, wenn sie ihre Toten bestatten.«
    Da geschah etwas Seltsames, das später in Poppos Lebensbeschreibung zu den Wundern gezählt werden sollte, die dieser vollbrachte:Nachdem er kniend gebetet hatte, erhob sich der Priester und begann, in der Sprache des Nomadenvolkes zu reden. Schon nach seinen ersten Worten verstummte das Gelächter, und die Vogelfrau streckte ihm beide Hände entgegen.
    Als Poppo geendet hatte, sprach die alte Frau, und jetzt richtete sie sich nur noch an ihn.
    »Sie nennen ihr Volk den tausendfüßigen Wurm, und jeder von ihnen betrachtet sich als einen Teil desselben, der zugleich ihr Herrscher ist und ihr Gott«, sagte Poppo, nachdem er ihr eine Weile schweigend zugehört hatte. »Sie sind von weither gekommen, um unsere Stadt zu sehen, deren Pracht und Reichtum sie in allen Ländern rühmen hörten. Geschenke erwarten sie nicht, aber sie wollen, daß ihnen die Tore geöffnet werden.«
    »Das darf nie geschehen!« rief der Wikgraf, der vergessen zu haben schien, daß er nicht schwimmen konnte. »Der König wird uns allesamt köpfen lassen, wenn wir diesen Wilden Einlaß gewähren!«
    Daraufhin versetzte die Alte dem Wikgrafen einen Stoß in den Rücken, so daß dieser in den Wassergraben fiel. Er wäre wahrscheinlich ertrunken, wenn Halldor ihn nicht am Bein gepackt und an Land gezogen hätte.
    »Was rätst du mir?« fragte Bue den Priester.
    »Du beschämst mich«, antwortete Poppo. »Womit habe ich die Auszeichnung verdient, daß mich der Ratgeber des Königs um Rat bittet? Aber vielleicht sollte man ihre Neugier befriedigen, bevor sie sich gewaltsam Einlaß verschaffen.«
    Bue der Dicke kniff seine Augenwülste zusammen und rieb sich die Nasenwurzel. Dann sagte er: »Es sollen von ihnen nicht mehr als jeweils zwanzig in die Stadt kommen, gleichgültig, ob es Männer, Frauen oder Kinder sind. Und diese sollen unbewaffnet sein und die Stadt bis zum Einbruch der Dunkelheit wieder verlassen haben.«
    Poppo übermittelte der alten Frau Bues Entscheidung. Diese streckte ihm abermals ihre Handflächen entgegen. Dann zogen sich die Nomaden in ihr Lager zurück.
    Björn hörte, wie der Bischof leise zu Poppo sagte: »Ich will nicht wissen, ob es ein echtes Wunder war, daß du plötzlich in der Sprache dieser Wilden reden konntest, oder nur ein scheinbares. Denn beides empört mich gleichermaßen. Wunder schaden dem Ansehen eines Bischofs, sofern er sie nicht selber vollbringt.« Nach diesem Vorfall sprach Bischof Horath lange Zeit nicht mehr mit Poppo, und wenn er geahnt hätte, daß ihn Poppos größtes Wunder eines Tages sein Amt kosten würde, hätte er

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