Die Maenner vom Meer - Roman
zuließ: »Du wirst den Rest deines Lebens auf einer Felsklippe im Nordmeer verbringen, wenn du Egil nicht auf der Stelle Genugtuung gewährst.«
Thyra preßte die Lippen zwischen ihre Zahnstümpfe. »Was verlangst du?« fragte sie, ohne Egil anzublicken.
»Nach allem, was ich gehört habe, bist du sehr reich«, entgegnete der Skalde.
»Bedenke aber auch, daß sie eine törichte alte Frau ist; vermutlich erinnert sie sich schon jetzt nicht mehr daran, was sie tat«, mischte der König sich ein, der offenbar um sein Erbteil zu fürchten begann.
»Ich sagte, daß er stinkt, und ich schlug ihn«, stellte Thyra fest. »Und du, Isländer, vermutest zu recht, daß du mich mit deiner Forderung nicht so leicht in Verlegenheit bringen wirst.«
Egil sagte: »So füll das Horn, das du mir aufs Haupt schlugst, bis zum Rand mit Silber. Damit will ich mich zufriedengeben.«
»Das ist weniger, als ich erwartet habe«, sagte die alte Königin. »Aber für einen Isländer mag es genug sein.«
»Schweig jetzt, Mutter!« fuhr sie der König an. »Egils maßvolle Forderung beweist seinen Großmut; ein Mann seines Ansehens hätte weit mehr verlangen können.« Und zum Skalden sagte er inmilderem Tonfall: »Trink einen Schluck aus meinem Horn, Egil, und sieh darin ein Zeichen meiner Freundschaft.«
Der Skalde ließ sich das Horn reichen und trank es in einem Zuge leer. Als er es absetzte, sagte er: »Du trinkst Bier, Harald Gormsson, während du deine Gäste mit teurem Wein bewirtest?«
»Wäre es umgekehrt, müßtet ihr mich einen Geizhals schelten«, schmunzelte der König. »Aber mir bekommt das süße Zeug nicht. Statt mich in gute Laune zu versetzen, macht es mich müde und schwächt meine Manneskraft. Bier hingegen verschafft mir Wohlbehagen, und je mehr ich davon trinke, desto öfter kräht mein Hahn. Ich bin nun mal ein Bauer, wie auch Gorm ein Bauer war und alle Könige Dänemarks vor ihm.« Sein Blick blieb auf dem zehnjährigen Sven haften, der am anderen Ende der Tafel neben seiner Mutter saß, und Verachtung kräuselte seine Lippen, als er fortfuhr: »Aber das Milchgesicht dort ist aus der Art geschlagen. Das macht mir Sorgen. Denn wie soll aus ihm ein guter König werden, wenn er nicht wie ein Bauer denkt und fühlt?«
Aller Augen richteten sich auf Sven, dessen blasses Gesicht bei den Worten des Vaters seine kindliche Unbekümmertheit verlor. Hallgerd griff nach seiner Hand. »Hüte dich vor unbedachten Worten, mein Sohn«, sagte sie. »Dein Vater würde es dir mit einer weiteren Kränkung vergelten.«
»Sechzehn Söhne habe ich, von denen ich weiß«, fuhr Harald fort. »Alle sind wohlgeraten, aus jedem könnte ebensogut ein Bauer wie ein König werden. Und ausgerechnet diesem Jammerlappen muß ich mein Reich anvertrauen, weil er das Recht auf seiner Seite hat. Alles Glück, das mir die Götter beschert haben, wird durch dieses eine Unglück zunichte gemacht.«
»Laß ihn reden und denke dir deinen Teil«, ermahnte Hallgerd ihren Sohn.
»Ich hasse ihn«, sagte Sven, ohne daß sich seine Lippen bewegten. Die Gespräche verstummten; eine lähmende Stille breitete sich aus.
»Was hat er gesagt?« fragte der König.
Niemand antwortete ihm. Verstohlene Blicke aus den Augenwinkeln, betretenes Schweigen, hier und da ein Räuspern.
»Ich will wissen, was er gesagt hat!« schrie der König.
Da erhob sich Bue der Dicke und trat in geduckter Haltung an den Hochsitz. Harald wandte ihm sein Ohr zu und hörte unbewegten Gesichts, was Bue ihm zuflüsterte. Dann öffneten sich langsam seine Lippen, gaben nach und nach den Zahn frei, nun auch die schwarzen Zahnstümpfe, die rissige Zunge. Haralds Körper erbebte von kurzen, rasch aufeinanderfolgenden Atemstößen, der König lachte. Bue, den es sichtlich erleichterte, daß seine Mitteilung den König zu erheitern schien, begann ebenfalls zu lachen, das Lachen pflanzte sich von einem zum anderen fort, nahm, je weiter es um sich griff, an Lautstärke zu und füllte die Halle mit tosendem Lärm.
Auf einen Wink des Königs verebbte das Gelächter. »An dir ist ein Possenreißer verlorengegangen, Sohn«, sagte Harald. »Du verstehst es, eine ganze Tafelrunde mit drei Worten zum Lachen zu bringen, das will schon etwas heißen. Was meint ihr«, fragte der König in die Runde, »würde Sven Haraldsson nicht einen guten Narren abgeben?«
Da nickten etliche und schmunzelten. Andere wichen Haralds Blick aus, rissen Fleischstücke aus dem Braten und stopften sie sich in den Mund.
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