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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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gerichtet. Aber dieser schneuzte sich mit Daumen und Zeigefinger, was unter seinen Vertrauten als Ausdruck der Mißbilligung galt.
    »Es wundert mich nicht, wenn Gott jenen seinen Beistand versagt, die ihn neben ihre Götzen und Dämonen stellen«, antwortete Poppo. »Bedenke vor allem dies, Herr: Eure Götter sind wie Menschen geboren. Odin wurde von Bor gezeugt, und Bestla brachte ihn zur Welt. Bor war Buris Sohn, und diesen leckte die Kuh Audumla aus dem Eis. Davor war der Riese Aurgelmir, den andere Ymir nennen, und davor war der Knall, als das Eis von Niflheim mit dem Feuer von Muspellheim zusammenkam. Aber wer erschuf Feuer und Eis, wer die gähnende Leere Ginnungagap, Herr? Und wenn du meinst, dies sei schon immer dagewesen: Wer herrschte über die Welt, bevor eure Götter geboren wurden? Ich sage es dir: Es war der einzige, der wahre, der allmächtige Gott; er war vor allem anderen da, er selbst ist der Anfang!«
    Es wurde sehr still im Saal. Von draußen war Kindergeschrei zu hören; Spatzen tschilpten im Reetdach der Halle. Die Bischöfe von Ribe und Aarhus flüsterten einander lateinische Worte zu; Bischof Horath stocherte mißmutig in seinen Zähnen.
    »Alles mag so sein, wie du sagst, Poppo«, ließ sich nun der König wieder vernehmen. »Aber wie willst du beweisen, daß dein Gott auch heute noch mächtiger ist als unsere Götter? Odin und Thor, Njörd und Freyr tun ihre Macht durch Zeichen und Wunder kund, von der Macht deines Gottes hingegen höre ich nur aus deinem und anderer Christenpriester Mund.«
    Da übermannte den sonst so beherrschten Priester der Zorn. Er schleuderte seinen hölzernen Becher gegen die Wand und rief: »Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist sind die einzige Gottheit, alle anderen nur Abgötter!«
    Björn sah, wie Sigurd und Harek nach ihren Schwertern griffen; auch Bue machte sich bereit, den Priester auf einen Wink seines Herrn hin mit der Waffe zu belehren, wie man sich in Gegenwart des Königs zu benehmen habe. Doch Harald bedeutete mitbeschwichtigenden Gebärden, daß er keine Handgreiflichkeiten wünsche.
    »Bist du bereit, dies durch deines Gottes eigenes Urteil zu bekräftigen?« fragte er lauernd.
    Poppo stützte sich mit beiden Armen auf den Tisch, stand eine Zeitlang so da, reglos, die Augen zusammengepreßt, als lausche er einer inneren Stimme. Dann richtete er sich langsam auf, öffnete die Augen, blickte zur Decke empor. »Ja, Herr«, sagte er leise.
    »Bringt mir ein Stück glühenden Eisens«, befahl der König.
    Seine Leibwächter stürmten waffenklirrend aus dem Saal. Poppo kniete zwischen den Bänken nieder, bekreuzigte sich und umhüllte sich mit seiner Kutte, so daß von ihm nicht mehr zu sehen war als seine ledrigen Fußsohlen.
    »Was tut er da?« fragte Gunhild, die, auf ihren Brüsten ruhend, eingeschlummert war.
    »Er betet«, antwortete Bischof Liafdag.
    »Er fleht Gott um seinen Beistand an«, verdeutlichte Bischof Reginbrand.
    »Si tacuisses, si tacuisses«, murmelte Bischof Horath.
    »Ich setze mein bestes Pferd darauf, daß er sich die Pfoten verbrennt«, rief Wichmann, der Brudersohn des Billungers. »Wer hält dagegen?« Niemand meldete sich, obwohl allgemein bekannt war, daß Wichmann beim Wetten meist den kürzeren zog.
    Der König ließ sich eine Specksteinschale reichen und schlug darin sein Wasser ab. Währenddessen sagte er: »Ihr seid meine Zeugen, daß ich den Priester nicht gezwungen habe, die Macht seines Gottes durch die Feuerprobe zu beweisen. Es ist sein eigener Wille. Wenn er sich also, woran ich nicht zweifle, die Hände verbrennen wird, ist kein anderer als er selber daran schuld. Ich sage dies, weil ich weiß, daß einige unter uns sind, die Erzbischof Adaldag nur zu gerne berichten würden, ich hätte einem seiner Priester Schaden zugefügt.« Sein Blick streifte die drei Bischöfe nur flüchtig, blieb dafür aber um so länger an Wichmann haften, von dem es hieß, daß er ein Günstling des mächtigen Erzbischofs sei.
    Nun geschah etwas, was in Sagas besungen, in Holz geritzt, in Stein gemeißelt werden sollte. Die Zahl derer, die sich rühmten, Zeugen des Ereignisses gewesen zu sein, wuchs von Jahr zu Jahr; keine Halle, und wäre sie um ein Vielfaches größer gewesen als die König Haralds, hätte ihnen allen Platz geboten. Es kam soweit, daß der Zeitpunkt bedeutender und alltäglicher Geschehnisse danach bestimmt wurde, ob er vor oder nach Poppos Feuerprobe lag. Keine Hungersnot, keine Sturmflut, kein Königsmord und kein

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