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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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Was sie nun kauend, schmatzend, gnurpschend hervorbrachten, konnte ebensogut als Zustimmung wie als Widerspruch gedeutet werden. Harald war, wenn man ihm glauben durfte, ein vom Tode gezeichneter Mann. Demnach konnte Sven schon in wenigen Jahren seine Nachfolge antreten, und es war zu vermuten, daß er, wie sein Vater, ein gutes Gedächtnis besaß.
    »Aber wenn es so wäre, wie du sagst: Aus welchem Grund solltest du mich hassen?« fragte der König seinen Sohn.
    Statt zu antworten, steckte Sven seinen Zeigefinger in das eine Nasenloch und schnaubte vernehmlich aus dem anderen.
    »Wärst du nicht der Sohn einer Frau aus königlichem Geschlecht, hätte ich dich gleich nach deiner Geburt ertränkt«, fuhr der Königfort. »Noch immer bist du ein Bündel schlaffer Haut und weicher Knochen. Verübelst du es mir, daß ich einen Mann aus dir zu machen versuche?«
    Jetzt richtete der Zehnjährige seine leicht hervorquellenden kalten Augen auf seinen Vater und hielt dessen Blick schweigend stand.
    »Als ich in deinem Alter war«, sagte der König, »setzte mich Gorm im Wald aus. Tagelang irrte ich umher, wehrlos Wölfen, Bären und anderem Getier preisgegeben. Ich lernte den Hunger kennen, fraß Baumrinde, Schnecken und Würmer. Aber ich fand den Weg zurück, und als ich an Gorms Hoftor klopfte, war ich ein anderer als jener, den er in der Wildnis alleingelassen hatte. Im Winter darauf warf er mich ins Meer und ließ mich darin schwimmen, bis ich ein Eisklumpen war. Ich verfluchte ihn, ich schwor mir, ihn zu töten, aber als ich ein Mann war, liebte ich ihn, weil er einen Mann aus mir gemacht hatte. Ich bin mit dir glimpflicher verfahren, Sohn. Ich verlange nicht, daß du mich dafür liebst, noch erwarte ich Dank. Aber wenn du mich haßt, wenn es wirklich so ist, daß du mich haßt, dann will ich dir auch einen Grund dafür geben.« Die letzten Worte sprach der König mit leiser Stimme, sie schwirrten beinahe lautlos durch den Saal, und manch einer duckte sich, als fürchte er, von ihnen getroffen zu werden.
    »Früher ging es lustiger auf deinen Festen zu, Bruder«, sagte Gunhild, die Witwe des Königs von Jorvik. Sie war eine stattliche Frau mit breitem Gesäß und schweren Brüsten, die sie der Bequemlichkeit halber vor sich auf den Tisch zu legen pflegte. »Da wurde gesungen und erzählt, und wenn es Streitigkeiten gab, wurden sie an Ort und Stelle mit dem Schwert ausgetragen. Erinnerst du dich, wie Erik seinem Gegner den Kopf abschlug und dieser vom einen Ende des Tisches bis zum anderen rollte?« Sie riß ihren Mund auf und lachte mit schwabbelndem Busen.
    »Ja, die alten Zeiten«, seufzte König Harald. »Ich wollte, ich könnte sie vergessen, dann fiele es mir leichter, die Freudlosigkeit meines jetzigen Daseins zu ertragen. Seitdem ich König bin, ist miraller Frohsinn abhandengekommen; die Verantwortung, die auf meinen Schultern lastet, die Sorge um das Wohlergehen meiner Untertanen haben mich schwermütig und krank gemacht. Ich weiß, daß es etliche unter euch gibt, die sich gern an meiner Stelle sähen. Aber die Götter mögen sie davor bewahren, daß ihr Wunsch jemals in Erfüllung geht. Denn es ist ein hartes Los, sich für sein Land aufzuopfern und dafür nichts als Undank zu ernten.« Damit lehnte der König sich zurück und starrte trübsinnig zur Decke empor.
    »Außerdem treiben sie es mit Ziegen und Kühen«, sprach Thyra in die Stille hinein. Offenbar hatte sie inzwischen überschlagen, daß ihr ein Trinkhorn voll Silber noch eine weitere Kränkung erlaube. Und damit niemand im ungewissen blieb, wer gemeint sei, fügte sie hinzu: »Für die Isländer ist ein Loch so gut wie das andere.«
    »Schafft sie hinaus!« sagte der König, ohne den Blick vom Deckengebälk zu lösen.
    Zwei seiner Leibwächter, Männer von riesenhaftem Wuchs, traten hinter die alte Königin, hoben sie von der Bank und trugen sie durch den Saal. Thyra wehrte sich nicht, kein Schrei kam über ihre Lippen, keines jener Schimpfwörter, für die sie berüchtigt war. Als sie aber an der Tür angelangt war, packte sie Björns Schulter und grub ihre Fingernägel in sein Fleisch. Björn roch die ranzigen Ausdünstungen ihres Körpers, er sah das rote Aderngespinst ihrer Augäpfel, und da er ihr so nahe war, vernahm er deutlicher als alle anderen die Worte, die sie zwischen keuchenden Atemzügen hervorstieß: »Dein Zahn, Harald Gormsson, ist das einzige, das von dir in Erinnerung bleiben wird. Denn was du an Taten vollbracht hast, wird

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