Die Maenner vom Meer - Roman
schon am Tage nach deinem Tod vergessen sein.«
Einer der Leibwächter versetzte Thyra einen Stoß, so daß sie über die Schwelle stolperte und in die Knie brach. Björn sah, wie sich zwei Mägde über sie beugten und, während sie sie aufzurichten versuchten, nach ihrem Schmuck griffen. Dann schlug jemand von außen die Tür zu.
»Warum lacht ihr nicht?« fragte der König in die Runde. »Mich belustigt es, was meine Mutter sagte, euch nicht?«
Da begannen seine Gäste zur gleichen Zeit zu reden, das Stimmengewirr schwoll an, Entrüstung griff um sich. Die Brüder Sigurd und Harek von den Schafsinseln sprangen auf und erboten sich, Thyra zu erwürgen; Bischof Horath verschaffte sich mit der Behauptung Gehör, Gorms Witwe sei vom Teufel besessen, und daher empfehle er, sie auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen; Bue der Dicke hingegen erinnerte den König an dessen eigenen Schwur und schlug vor, Thyra nach Litla Dimun zu verbannen, einer Felsinsel im Nordmeer, die an Unwirtlichkeit ihresgleichen suche. Harald jedoch wiegte unentschlossen den Kopf, schien an keinem der Vorschläge so recht Gefallen zu finden und brachte seine Gäste schließlich mit einer Handbewegung zum Schweigen.
»Mir wäre lieber gewesen, wir hätten gemeinsam über das Geschwätz der alten Frau gelacht«, sagte der König. »Aber offenbar seid ihr euch einig, daß sie dafür eine Strafe verdient. Oder ist einer hier im Saal anderer Meinung?«
»Ich, Herr«, sagte Poppo und erhob sich.
»Si tacuisses!« stöhnte Bischof Horath und sank in sich zusammen. Die Bischöfe von Aarhus und Ribe tauschten erstaunte Blicke: Wer war dieser Priester, daß er es wagte, an der Tafel des Königs das Wort zu nehmen?
»Man sagte mir, du seist ein sprachkundiger Mann«, versetzte der König. »Nur aus diesem Grund habe ich dich zu meinem Fest eingeladen. Da du nun aber hier bist, laß uns deinen Rat hören.«
»Es steht mir nicht zu, dir einen Rat zu erteilen, König Harald«, antwortete Poppo. »Ich will jedoch nicht mitschuldig daran sein, daß du deinen Nachruhm durch einen Muttermord befleckst. Wenn es, wie mein ehrwürdiger Herr meinte, der Teufel war, der aus deiner Mutter sprach, so räche dich an ihm, nicht aber an jener, deren Stimme er sich lieh.«
»Das ist leichter gesagt als getan, Priester«, entgegnete der König. »Wie soll ich mich an einem rächen, von dem niemand mit Sicherheit sagen kann, ob es ihn gibt?«
»Ich habe ihn gesehen«, sagte Poppo mit fester Stimme. »Ichhabe ihn gefühlt, gerochen, mit all meinen Sinnen habe ich ihn wahrgenommen. Es gibt den Teufel so gewiß wie es Gott gibt und seinen Sohn Jesus Christus und die Jungfrau Maria. Nimm den wahren Glauben an, Herr, dann wirst du auch den Teufel erkennen, und Gott wird dir die Kraft geben, ihn zu bezwingen.«
»Immerhin würde sich, wenn ich an deinen Gott glaubte, die Zahl meiner Feinde um einen vermehren«, warf der König gewitzt ein. »Noch dazu um einen, dem mit dem Schwert nicht beizukommen ist.«
»Das Gebet ist stärker als das Schwert«, sagte Bischof Reginbrand, der dem Wortwechsel zwischen König und Priester mit wachsender Aufmerksamkeit gelauscht hatte.
Poppo verneigte sich vor dem Bischof von Aarhus. Dann fuhr er, zum König gewandt, fort: »Und Gott ist mächtiger als die Götzen und Dämonen, die ihr die alten Götter nennt. Denn siehe: Eure Götter sind von Menschenhand gemacht, sie sind aus Gold, Silber, Kupfer, Stein oder Holz, sind taub, blind und stumm. Sie leben nicht, bewegen sich nicht, fühlen nicht. Bedenke doch: Welche Rettung können sie dir bringen, die ja nicht einmal, da sie ohne Verstand sind, sich selbst helfen können?«
Da stand Thormod auf und sagte: »Wenn du einem weitgereisten Mann erlaubst, von seinen Erfahrungen zu berichten, Herr: Der Gott der Christen ist mir auf dem festen Land in manchem nützlich gewesen, über das Meer jedoch hat er keine Macht, dort herrscht immer noch Njörd. Laß dir also von dem Priester nicht einreden, daß sein Gott allmächtig sei.«
Thormods Worte fanden bei vielen Zustimmung, und auch König Harald zeigte durch ein Kopfnicken an, daß sie ihm einleuchtend erschienen.
»Höre, was ein erfahrener Mann sagt, und erkläre uns, wozu es gut sein soll, auf den Beistand vieler Götter zu verzichten und sich statt dessen einem einzigen anzuvertrauen«, forderte Harald den Priester auf.
»Noch dazu einem, der das Wasser scheut!« rief Bue der Dicke,die Augen beifallheischend auf das Gesicht des Königs
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