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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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die weite, im schrägen Sonnenlicht gleißende Fläche, und es erschien ihm kaum glaubhaft, daß es sich in jenes tobende, brüllende, allesverschlingende Ungeheuer verwandeln konnte, von dem er so oft hatte erzählen hören.
    Der Strand war mit Treibholz übersät; da lagen Äste, Baumwurzeln, Bretter, zersplitterte Planken, sogar ganze, ihrer Rinde entblößte, vom Sand weißgeschliffene Baumstämme. Björn lud sich, soviel er tragen konnte, auf die Schultern, und kehrte zur Feuerstelle zurück. »Damit werden wir das Fleisch nicht zum Kochen bringen«, sagte Ketil Nase. »Hol mehr, Kleiner!«
    »Geh selbst, wenn du meinst, daß es nicht reicht«, antwortete Björn.
    »Ich bin es nicht gewohnt, mir so etwas von einem sagen zu lassen, der vor nicht allzu langer Zeit noch käuflich zu erwerben war«, entgegnete Ketil. Er hob, nicht ohne merken zu lassen, wieviel Anstrengung es ihn kostete, den Kopf und rief zum Schiff hinüber: »Was hat dir Swain für ihn bezahlt, Vagn?«
    Von Bord kam keine Antwort, aber als nun Ketil den Kopf wieder auf seine verschränkten Arme legen wollte, kniete Björn auf seiner Brust und packte mit einer Hand Ketils Nase. »Ich bin kein Sklave mehr«, sagte Björn, ohne lauter als gewöhnlich zu sprechen. »Und du wirst es bereuen, wenn du mich wie einen solchen behandelst.« Ketil schrie vor Schmerz und beschimpfte Björn mit üblen Wörtern, bis dieser ihn mit einem Fausthieb zum Schweigen brachte.
    Zum Essen kamen alle bis auf zwei Männer, die als Wache auf dem Schiff zurückblieben, an Land und setzten sich um das Feuer. Gunne schnitt das Fleisch in Stücke; das größte bekam Thormod, ein etwas kleineres Hedin, die übrigen erhielten gerade soviel, daßder ärgste Hunger gestillt wurde. Als sie ihre Fleischstücke hinuntergeschlungen hatten, sahen sie zu, wie Thormod mit sichtlichem Genuß den Knochen abnagte, ihn aufbrach, das Mark ausschlürfte und die Überbleibsel hinter sich ins Wasser warf.
    »Ein voller Bauch macht träge und unvorsichtig«, sagte Thormod, während er seine Finger einzeln abschleckte. »Deshalb dürft ihr mich nicht für knauserig halten, wenn ich euch nur so viel zu essen gebe, daß ihr bei Kräften bleibt. Vor uns liegt eine weite Reise; wir werden in Gegenden kommen, wo noch keiner von euch war, da gilt es, beweglich und wachsam zu sein.«
    Bjarki Fleischsuppe hob seine rechte Hand. »Ich habe, wie jeder von euch sehen kann, nur noch drei Finger an dieser Hand, die anderen hat mir eine Seeschlange abgebissen«, sagte er. »Aber selbst diese drei reichen aus, die Länder aufzuzählen, in denen ich noch nicht war. Wollte ich dagegen alle Länder aufzählen, auf die ich meinen Fuß gesetzt habe, so müßte ich zu meinen eigenen die Finger von euch allen zu Hilfe nehmen und eure Zehen noch dazu.«
    Die Männer begannen zu lachen. Bjarki jedoch, statt sich darüber zu entrüsten, wartete geduldig, bis das Gelächter verklungen war, und fuhr dann fort: »Thormod ist gewiß weit herumgekommen, aber nicht einmal er dürfte in den Abgrund am Ende der Welt geblickt haben. Er ist das Furchtbarste, was Menschenaugen jemals sahen, das laßt euch von einem sagen, dem der Schreck noch heute in den Knochen sitzt.«
    »Fragt ihn jetzt nicht, weshalb er nicht hinuntergefallen ist«, bat Ketil Nase die anderen. »Die Geschichte dauert eine ganze Nacht.«
    Nun zeigte sich, daß Bjarki Fleischsuppe durchaus in Zorn geraten konnte. »Misch du dich nicht ein!« schrie er und machte Miene, sich auf Ketil zu stürzen. »Während ich die ganze Welt bereist habe bis dorthin, wo sie zu Ende ist, hast du nicht einmal deinen eigenen Bauchnabel gesehen.«
    »Streitet euch nicht, Brüder«, sagte ein großer, hohlwangiger Mann, der sein Haar nach Art der Mönche geschnitten trug. Wieer Björn später in einer der langen Winternächte erzählte, war er in Schimpf und Schande aus dem Kloster gejagt worden, weil er anhand der Bibel nachgewiesen hatte, daß Gott ein Zwitter sei. »Wer weiß, ob uns ein solch ruhiger Abend noch einmal vergönnt sein wird.«
    »Egbert hat recht«, sagte Thormod. »Vergeudet die Zeit nicht mit läppischem Gezänk, sondern nutzt sie zum Schlafen. Für die Westsee braucht es ausgeruhte Männer.«
    Sie saßen noch eine Weile schweigend am Feuer, während die Sonne unterging und sich der Himmel über dem fernen Waldstreifen glühend rot färbte. Hedin sah zu den Wolken hin, die wie ein Haufen ausgekämmter Wolle im Osten über dem Horizont lagerten, und sagte: »Wir

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