Die Maenner vom Meer - Roman
Krieg gruben sich tiefer in das Gedächtnis der Menschen ein.
Einer der Leibwächter trägt das glühende Eisenstück mit einer Zange in den Saal. Es ist armlang und breit wie ein Schwert. Björn sieht die rote Glut zwischen bröckligem Grau, spürt die Hitze auf seinem Gesicht. Der Leibwächter bleibt neben Poppo stehen und hält das Eisenstück über ihn. At-Tartuschi besprengt es mit Wein, knallend zerspringen die Tropfen. Die weiter entfernt Sitzenden stehen auf, drängen nach vorn; Nanna greift nach Björns Hand, steigt auf eine Bank und zieht ihn zu sich empor. Poppo, unter seiner Kutte kauernd, rührt sich nicht. Ist er inzwischen zu der Einsicht gelangt, das Unmögliche zu versuchen; hat ihn der Mut verlassen?
»Es ist soweit, Priester«, sagt der König. »Oder willst du dir nachsagen lassen, du hättest gewartet, bis das Eisen erkaltet ist?«
»In nomine patris et filii et spiritus sancti«, sagt Bischof Reginbrand und schlägt über Poppo das Kreuz.
Unter der Kutte bewegt es sich, zwei Arme kommen zum Vorschein, schlagen die Kutte zurück, Poppo erhebt sich. Sein Gesicht ist weiß, selbst aus seinen Lippen ist das Blut gewichen. Poppo blickt in die Runde, seine Augen sind starr, seine Pupillen geweitet und tiefschwarz. Nun senkt er den Blick auf das Eisen, er streckt beide Hände aus, die Handflächen nach oben gekehrt, und bedeutet dem Leibwächter mit einer Kopfbewegung, das Eisenstück auf seine Hände zu legen. Björn stockt der Herzschlag, obwohl er das alles schon einmal sah, und wie damals steigt jetzt Rauch von Poppos Händen auf, es riecht nach verbranntem Fett, doch kein Schrei durchdringt die atemlose Stille.
»Wirf das Eisen fort, bevor es dich zum Krüppel macht!« ächzt König Harald, als erleide er selbst die Qualen, die Poppo ohne Anzeichen von Schmerz zu ertragen scheint.
»Es ist nur das Fett, das mir die Hitze aus den Poren treibt, Herr«, sagt Poppo. »Doch meine Haut widersteht der Glut, solange Gott es will.«
So steht er da, das glühende Eisenstück auf seinen ausgestreckten Händen. Der König läßt sein Horn füllen. Als er es leergetrunken hat, steigt er vom Hochsitz, geht zu Poppo, spuckt auf das Eisen, sein Speichel verpufft mit lautem Zischen.
»Damit wollen wir es genug sein lassen, Poppo«, sagt er. »Zeig mir deine Hände.«
Der Leibwächter nimmt das Eisenstück mit der Zange von Poppos Händen. Die Haut ist ein wenig gerötet, wo das glühende Eisen lag, aber sie ist glatt und unversehrt, zeigt keine Brandstellen, keine Blasen. Der König hält Poppos Hände hoch und führt den Priester schweigend durch die Halle. Als sie an Björn vorüberkommen, blickt Poppo ihn an, und ein dünnes Lächeln spielt um seine blutleeren Lippen.
Drei Tage nach Poppos Feuerprobe ließ sich König Harald taufen. Nachdem er den wahren Glauben angenommen hatte, gelobte er, auch seine Untertanen zu Christen zu machen, und damit niemand an seiner Entschlossenheit zweifle, setzte er einen Stein, auf dem das Bekehrungswerk bereits als vollendet vermerkt war.
Bischof Horath zog sich verbittert in ein Kloster zurück. An seiner Stelle wurde Poppo Bischof von Schleswig. Zunächst sträubte er sich, dieses Amt zu übernehmen; als man ihn jedoch wissen ließ, Horath arbeite in der Abgeschiedenheit seiner Klosterzelle an einer Lebensbeschreibung des wundertätigen Poppo, die mit besonderer Sorgfalt die Zeitspanne vor seiner Hinwendung zum Christentum behandle, nahm er den Krummstab unter der Bedingung an, daß Horath wegen seiner angegriffenen Gesundheit eine Tätigkeit an der frischen Luft zugewiesen werde.
Eines Abends ließ Poppo Björn zu sich in das Haus des Bischofs bitten. Poppo lag im Bett, seine Wangen waren eingefallen, und noch immer hatte sein Gesicht nicht die gewohnte Röte wiedererlangt. Er richtete sich auf und blickte Björn an. »Ich sehe, daß du dir Sorgen um mich machst«, sagte er. »Aber ich bin nicht krank, nur sehr erschöpft. Die Feuerprobe wird wohl mein letztes Wunder gewesen sein, denn es gehört viel Kraft dazu, Gottes Werkzeug zu sein.« Er ließ sich auf das Kissen zurücksinken, schwieg längere Zeit, hob dann den Zeigefinger und winkte Björn zu sich heran: »Ich versprach dir, darüber nachzudenken, wie du zu Reichtum kommen kannst. Höre denn: Geh zu Thormod und sag ihm, daß du es bist, der ihm auf seiner Reise Glück bringen wird. - Gott möge dich beschützen, mein Sohn, und weil du noch ein Heide bist, wird er es dir verzeihen, wenn du hin und
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