Die Maenner vom Meer - Roman
zahllosen, teils sichtbaren, teils knapp unter dem Wasserspiegel verborgenen Klippen zu zerschellen. Nun hing alles von Hedins Können ab, und es erregte Bewunderung, wie umsichtig und geschickt er den Knorr durch die Schären lenkte.
Die Männer gaben es auf, die Tage zu zählen, die seit ihrer Abreise vergangen waren. Jeder Tag glich dem anderen, wie ein Ankerplatz dem nächsten ähnelte. Die stete Wiederkehr des Gleichen führte dazu, daß die Zeit nach Ereignissen gemessen wurde, die sich vom Gewohnten unterschieden. Die Begegnung mit dem Wikinger Thorgeir Bryntroll war eines jener Ereignisse, mit dem eine neue Zeitrechnung begann. Ein anderes war mit einer Frau verknüpft, die Dagbjört hieß. Wir schildern den Vorfall so, wie Björn ihn in späteren Jahren am Herdfeuer erzählte.
Eines Abends hätten sie auf einer flachen Felsplatte am Ufer gesessen und einen Topf mit Grütze auf dem Feuer gehabt. Die Felsplatte sei noch warm von der Sonne gewesen. Vom Meer her habe man das Tosen der Brandung hören können, hinter den Schären jedoch sei es beinahe windstill gewesen. Mückenschwärme hättenüber ihren Köpfen getanzt. Plötzlich hätten sich Tostis Nasenflügel gebläht; er habe die Luft schnuppernd eingesogen, seinen Kopf zum Land hin gedreht und gesagt, ganz in der Nähe müsse sich eine Frau befinden, dem Geruch nach zu urteilen nicht mehr jung, aber noch gut im Fleisch. Nun seien die Männer aufgesprungen und in die Richtung gegangen, in die Tostis Nase wies. Hinter einem Stein sei eine Frau hervorgekommen und vor den Männern davongelaufen. Alle, sogar der faule Ketil, hätten sich an die Verfolgung gemacht. Nur Thormod und Hedin seien beim Schiff zurückgeblieben. Die Frau habe, obwohl sie ziemlich dick gewesen sei, sehr schnell laufen können, aber einige der Männer seien noch schneller gewesen; sie hätten der Frau, kurz bevor sie den Wald habe erreichen können, den Weg abgeschnitten. Nun sei die Frau stehengeblieben und habe sich umgewandt. Trotz ihres Alters sei die Frau noch schön gewesen, sie habe langes braunes Haar und große Brüste gehabt. Die Männer hätten einen Kreis um die Frau gebildet, und die Frau habe heftig atmend einen nach dem anderen angeblickt. Dann habe sie ihr Kleid bis zu den Hüften hochgehoben, habe sich rücklings in das Moos gelegt und die Beine gespreizt. Die Männer seien unschlüssig gewesen, wer von ihnen den Anfang machen sollte, aber dann habe Torkel Hakenlachs seine Hose fallen lassen und sich auf die Frau gelegt. Als nächster sei Egbert drangekommen und nach diesem die anderen. Die Frau habe sich währenddessen nicht bewegt, auch keinen Laut von sich gegeben, sie habe nur so dagelegen und die Beine breitgemacht. Als alle ihren Samen losgeworden seien, habe sie sich mit dem Rocksaum abgewischt und aufgerichtet. Sie hätten dann noch eine Weile miteinander im Moos gesessen, und die Frau habe erzählt, daß sie Dagbjört heiße und in den Wald gegangen sei, um Beeren zu sammeln. Dann habe sie die Männer gefragt, wer sie seien und woher sie kämen, und als alles gesagt gewesen sei, habe Dagbjört gefragt, ob man sie nun gehenlassen würde, und die Männer hätten nichts dagegen gehabt.
Als Thormod davon erfuhr, wurde er sehr wütend und schimpftedie Männer hirnlose Lüstlinge; keinem, schrie er, hätte er eine Träne nachgeweint, wenn sie von der Frau in einen Hinterhalt gelockt und allesamt erschlagen worden wären. Weil er Egbert als einzigem einen Funken Verstand zubilligte, ließ er diesen an den Mast fesseln und achtete darauf, daß er einige Tage nichts zu essen bekam. Dadurch machte er sich Egbert zum Feind.
Der Westwind dauerte zwei Wochen lang an; deshalb vermied es Hedin, auf das offene Meer hinauszusteuern, und hielt, so gut es ging, an der Leeseite der Schären nordwärts. Weil dort aber entweder Flaute herrschte oder unerwartete Böen das Schiff zum Kentern bringen konnten, mußten sie die meiste Zeit rudern. An Björns Händen hatte sich eine aus Blut, Schmutz und Eiter bestehende Kruste gebildet, die, wenn er nach stundenlangem Rudern die Finger von den Riemen löste und sie dehnte, von den Innenflächen seiner Hände platzte.
Dagbjört war fast schon in Vergessenheit geraten, als ein weiteres Ereignis die Gemüter erregte und für neuen Gesprächsstoff sorgte. Die Männer hatten sich so daran gewöhnt, daß hinter der vor ihnen liegenden Schäreninsel eine nächste auftauchte, kahl und unbewohnt wie diese, und hinter jener eine weitere,
Weitere Kostenlose Bücher