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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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jedes andere Gefühl in ihnen erstorben sei. Sigmund war vor Jahren nach Norwegen gefahren, und während Tröndur die Inseln mit List und Gewalt unter seine Herrschaft brachte, erwarb sich Sigmund im Dienst Jarl Hakons den Ruf eines unbesiegbaren Helden. Sein Ruhm war sogar bis zu den entlegenen Schafsinseln gedrungen, und als er nun, unversehens aus dem Nebel aufgetaucht, vor ihnen stand, wußten alle, daß Tröndurs Wachsamkeit nicht den Bauern der Südinsel gegolten hatte.
    »Ich höre, daß du wohlhabend und mächtig geworden bist, Vetter«, sagte Sigmund. »Das sei dir vergönnt; ich kann nichts Schlechtes daran finden, wenn jemand auf seinen Vorteil bedacht ist. Ich will mich auch nicht zum Sprecher derer machen, die du unterjocht und beraubt hast, denn es wäre ihre Sache gewesen, sich dagegen zu wehren. Doch es betrübt mich, daß du all dies ohne meine Einwilligung unternommen hast. Dafür fordere ich einen Anteil, Vetter.«
    »Wenn es wahr ist, was erzählt wird, bist du um ein Vielfaches reicher als ich«, antwortete Tröndur. »Was wiegen die Abgaben armer Bauern, was wiegt der Besitz unfruchtbaren Bodens gegen die Schätze, die du angehäuft haben sollst?«
    »Zeig dem Skalden eine Handvoll Silber, und er wird einen Berg daraus machen«, sagte Sigmund. »Aber ich bin gekommen, mich im Guten mit dir zu einigen, Tröndur. Wenn du mir also meinen Anteil nicht geben kannst, laß mich statt dessen mit der Neuigkeit nach Norwegen zurückkehren, daß du Christ geworden bist.« Ertauchte seine Hand hinter sich in den Nebel: »Einen Priester habe ich mitgebracht.«
    Aus Tröndurs Gesicht wich das Blut; selbst die Sommersprossen schienen zu erblassen. Von allen Beleidigungen, die man ihm zufügen konnte, war dies die schlimmste. Denn Tröndur war ein erbitterter Feind der Christen. Er hatte die Mönche, die seit Menschengedenken auf einer winzigen Schäre vor der Südspitze der Strominsel wohnten, fangen und bei lebendigem Leibe häuten lassen; er brannte jedem, der im Verdacht stand, Christ zu sein, eigenhändig die Augen aus, und nun dieses Ansinnen, noch dazu aus dem Mund eines Mannes, den er wie keinen anderen haßte.
    Tröndur entriß Össur seinen Speer und warf ihn auf Sigmund. Der Speer prallte von seinem Helm ab. Sigmund lachte: »Das war die Antwort, die ich von dir erwartet habe, Vetter.« Dann verschluckte ihn der Nebel.
    Eine Zeitlang blieb es ruhig. Ein leichter Wind kam auf, aber statt vor ihm zu weichen, drängte sich der Nebel tiefer in die Bucht und ballte sich zu wabernden Klumpen. Zuweilen öffneten sich Spalten in der Nebelwand, und einmal gab sie den Blick auf drei Langschiffe frei, die nebeneinander am Ufer lagen. Plötzlich hallte die Bucht von donnerndem Getöse wider; von mehreren Seiten zugleich rollten große Felsbrocken von den Bergflanken herab. Einer übersprang den Wall und begrub zwei Männer unter sich; ein anderer riß eine Bresche in die Verschanzung. Nun stürzte ein Mann aus dem Nebel hervor und sprang durch die Lücke. An seinem roten Wams erkannte Björn, daß es Sigmund war. Einer von Tröndurs Leuten warf seinen Speer nach ihm. Sigmund fing ihn auf und stieß dem Mann die Spitze seiner Axt in die Brust. Als nächsten traf er auf Össur. Dieser holte mit seinem Schwert aus, aber bevor er zuschlagen konnte, hatte Sigmund ihm den Schädel gespalten.
    Nach Sigmund drangen seine Männer durch die Bresche in den Hof, und als Tröndurs Leute sahen, daß diese ihnen an Zahl überlegen waren, warfen sie ihre Waffen fort und flehten um ihrLeben. Aber damit war der Sieg noch nicht errungen, denn nun brach Tröndurs Hundemeute aus einem Stall hervor und fiel mit schaurigem Geheul über die Eindringlinge her. Sechs von Sigmunds Männern wurden von den Hunden zerfleischt, und vermutlich wären auch die übrigen den Bestien zum Opfer gefallen, hätten ihnen Tröndurs Leute nicht unerwartet Hilfe geleistet, denn diese wußten, daß die Hunde, war ihre Blutgier erst geweckt, keinen Unterschied machten zwischen Freund und Feind. So kam es, daß man Tröndur das einzige Mal in seinem Leben weinen sah, und es wurde später viel darüber gesprochen, ob seine Tränen mehr dem Ziehsohn oder seinen Hunden gegolten hatten.
    Der Hofplatz war mit Leichen bedeckt. Von Thormods Männern waren Torkel Hakenlachs und Karhu getötet worden; letzterem hatte einer von Tröndurs Hunden die Kehle zerfetzt. Hedin war an der Schulter verwundet worden; sein linker Arm hing leblos herab. Tosti Einauge irrte mit

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