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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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das Heulen des Sturms, hörte menschliche Stimmen, leise Stimmen, laute Stimmen, Schreie, Wispern. Er sieht sich, wie aus tiefem Schlaf erwachend, in einem dämmrigen Raum liegen, unter seinem Rücken knistert Stroh, da ist ein glimmendes Feuer, an dem Feuer sitzt eine alte Frau, sie hat einen langen hageren Hals und ein kleines,von unzähligen Falten zerfurchtes Gesicht. Sie steht auf und reicht Björn einen Becher.
    »Trink das, es wird dir guttun«, sagt sie.
    Björn zuckte vor Schmerz zusammen, als die Flüssigkeit in seine aufgesprungenen Lippen drang; er betastete sein Gesicht: Schorfige Haut blieb an seinen Fingern haften. Er roch den würzigen Duft des Holzfeuers. Dies war kein Traum mehr.
    »Wer bist du?« fragte er.
    »Nenne mich Hyrrokkin, wenn du mir einen Namen geben willst«, antwortete die alte Frau.
    Björn erinnerte sich, daß Gris der Weise ihm von einer Hexe erzählt hatte, die Hyrrokkin hieß. Sie ritt auf einem Wolf; als Zügel diente ihr eine Kreuzotter. Hyrrokkin war es, die Balders Totenschiff ins Wasser stieß. Aber das mußte vor langer Zeit geschehen sein.
    Im Gesicht der alten Frau öffneten sich zwei Falten und gaben ein Paar hellgrüner Augen frei. Sie wirkten sehr jung in dem zerknitterten Gesicht. »Hexen haben mehrere Leben, Björn Hasenscharte, wußtest du das nicht?« sagte sie leise.
    Nun erzählte Hyrrokkin, wie sie das Boot, leckgeschlagen und mit zerbrochenem Kiel, am Ufer gefunden hatte. Die sieben Männer hätten ein Knäuel ineinander verschlungener Gliedmaßen gebildet, ihre Körper seien mit einer Kruste aus Salz und Sand bedeckt gewesen. Als sie sie mit Meerwasser abgespült habe, hätten sich einige der Männer zu regen begonnen. Es habe ihr große Mühe bereitet, die Schiffbrüchigen aus der Umklammerung ihrer Leidensgenossen zu lösen und sie vom Strand in ihre Hütte zu schaffen. Manches Mal habe sie sich verflucht und geschworen, die übrigen ihrem Schicksal zu überlassen. Allein der Gedanke, an jenen schuldig zu werden, denen sie ihre Hilfe verweigere, habe sie bewogen, nicht eher zu ruhen, bis sie den letzten der Männer in ihrer Obhut wußte. »Und dieser«, schloß sie ihren Bericht, »warst du, Björn Hasenscharte.«
    Während Hyrrokkin erzählte, hatte sich Björn aufgesetzt undsie genauer betrachtet. Nun, da sie groß und breitschultrig vor ihm stand, ein Mann mit dem verhutzelten Gesicht einer Greisin, war ihm, als sähe er sie nicht zum ersten Mal.
    »Du fängst an, etwas zu denken, was du besser nicht denken solltest«, sagte Hyrrokkin, während sie, am Herdfeuer niederkauernd, wieder die Gestalt einer alten Frau annahm. »Weder betrifft es dich, noch kannst du es ändern. Bei allem aber, was dich selbst angeht, könnte ich dir von Nutzen sein. Du wirst meiner Hilfe noch das eine oder andere Mal bedürfen.«
    »Wo sind die anderen?« fragte Björn.
    »Ich habe sie hinausgejagt, sie waren mir zu laut«, erwiderte Hyrrokkin.
    Noch immer vom Schlaf benommen, trat Björn vor die Tür. Hyrrokkins Hütte lag am Rande einer kahlen Ebene, die zum Meer hin in einen schmalen Dünengürtel überging. Von den Dünenkämmen strichen lange, flirrende Sandschleier ab und zerstoben im Wind. In der Ferne, über dem glitzernden Spiegel eines Sees, erhob sich eine Reihe kegelförmiger Berge. Kein Laut war zu hören außer dem klagenden Ruf eines Vogels und dem feinen Sirren des Sands. Erst als Björn auf einen unweit der Hütte gelegenen Hügel gestiegen war, trug der Wind Stimmen an sein Ohr und wies ihm die Richtung, in der er seine Gefährten suchen mußte.
    Sie lagen oberhalb der Stelle, wo das Boot angetrieben war, in einer Dünensenke. Hemmo fuhr herum, als Björns Schatten über ihn fiel. Sein Gesicht war von Narben entstellt, sein Mund eine eiternde Wunde. Mit aufgerissenen Augen starrte er Björn eine Weile an, bevor er ihn erkannte. Dann sagte er: »Dein Glücksbringer ist da, Thormod. Verrate uns jetzt deinen Plan.«
    »Ich habe in letzter Zeit daran gezweifelt, daß du mir Glück bringen würdest«, sagte Thormod, und Björn bemerkte wieder den fiebrigen Glanz in seinen Augen. »Poppo mag mir verzeihen; jetzt zeigt sich, daß ich ihm unrecht tat.«
    Hyrrokkin, fuhr Thormod fort, habe ihm erzählt, daß sich eine Tagereise entfernt, auf einer der Küste vorgelagerten Insel, ein Klosterbefinde. Die Mönche lebten in äußerster Bedürfnislosigkeit, obwohl sie es, als Besitzer einer Quelle, deren Wasser Krankheiten heile, durch Geschenke und Stiftungen zu

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