Die Maenner vom Meer - Roman
der Mitte des Raumes brannte ein Feuer und verbreitete eine wohlige Wärme, und kaum daß die Männer sich auf ihren Fellsäcken ausgestreckt hatten, brachten Mägde dampfende Grütze und gekochtes Hammelfleisch, einen Stapel warmen Fladenbrots und einen waschzubergroßen Bottich frischen Wassers.
»Gibt es bei euch kein Bier?« fragte Hemmo der Kurze.
Die Mägde begannen, hinter der vorgehaltenen Hand zu kichern, denn Bier kannten sie vom Hörensagen als ein Getränk, das ernsthafte Männer in grölende Toren zu verwandeln vermochte.
»Du kannst an meinen Titten lutschen, wenn du kein Wasser magst«, sagte eine der Mägde. Doch bevor Hemmo nach ihr greifen konnte, war sie mit den anderen kreischend davongelaufen.
Drei Wochen vergingen, ohne daß Tröndur ihrer überdrüssig zu werden schien. Die Untätigkeit und das reichhaltige Essen führten dazu, daß die Männer jede Gelegenheit nutzten, ihre wiedergewonnenen Kräfte zu messen. Aus Wettkämpfen wurden blutige Schlägereien; ein achtlos dahingesprochenes Wort lieferte den Anlaß zu einem Zweikampf auf Leben und Tod. Gunne Seehundsfloh verletzte Bjarki Fleischsuppe so schwer, daß dieser nicht mehr die Zeit fand, seine letzte Geschichte zu Ende zu erzählen. Da ließ Tröndur i Göta die Männer zu sich rufen und sagte, nun sei es soweit, daß sie sich für die erwiesenen Wohltaten erkenntlich zeigen könnten.
»Einige meiner Landsleute«, fuhr er fort, »wollen nicht begreifen, daß es eine Kleinigkeit kostet, wenn jemand wie ich die Bürde auf sich nimmt, das Gesetz zu verkörpern und sie vor den Überfällen der Seeräuber zu beschützen. Sie zwingen mich, mir zu holen, was mir von Rechts wegen zusteht, und dafür brauche ich Männer, die keine Rücksicht nehmen müssen, weil sie mit diesem versippt und jenem verschwägert sind.«
So wurden Thormod und seine Männer in Tröndurs Horde aufgenommen.Meistens von Össur, seltener von Tröndur selbst angeführt, schwärmten sie über die Inseln aus und verbreiteten unter den Bewohnern schon durch ihr Auftreten Angst und Schrecken. Wer nicht freiwillig die von Tröndur geforderten Abgaben entrichten wollte, mußte zusehen, wie sein Hof in Flammen aufging, sein Vieh fortgetrieben wurde. Setzten sich die Bauern jedoch zur Wehr, so richteten Tröndurs Leute unter ihnen ein Blutbad an, dessen schreckliche Einzelheiten wir in alten Geschichten ausführlich geschildert finden.
Tröndur besaß mehrere Höfe. Der größte lag in einer Bucht auf der Ostinsel und war von einem hohen Wall aus Steinen und spitzen Pfählen umgeben. Dort hielt Tröndur sich die meiste Zeit auf, und es verging kaum ein Tag, ohne daß er an dem Schutzwall etwas auszubessern fand. Tröndur war kein ängstlicher Mann, aber offensichtlich rechnete er mit einem Überfall, und unter seinen Leuten ging das Gerücht, daß sich die Bauern von der Südinsel gegen ihn verschworen hätten.
Mehrere Tage hüllte dichter Nebel den Hof ein. Er fühlte sich kalt und glitschig an, und Björn schien es, als habe sich alles außerhalb eines Fußbreits begehbaren Bodens in graues Nichts aufgelöst. Tröndur ließ die Wachen auf dem Wall verstärken; er selbst gesellte sich zu ihnen und horchte mit seitwärts geneigtem Kopf. Der Nebel war voller Geräusche: vertrauter, wie das Kreischen der Möwen und das Glucksen der Wellen, und anderer, die ihn in Unruhe zu versetzen schienen. War nicht das Knarren von Tauwerk zu hören, das dumpfe Klatschen mit Tuch umwickelter Riemen, dann und wann ein Flüstern? Tröndur zog das Schwert und gab seinen Männern Zeichen, sich in Kampfbereitschaft zu setzen. Lautlos verteilten sie sich ringsum an der Innenseite der Verschanzung.
Der Nebel spie einen Mann aus. Er war groß und kräftig, seine nackten Arme waren mit Silberringen geschmückt. Er trug einen Helm und ein rotes Wams, darüber einen Kettenpanzer. An seinem Gürtel hing ein langes Schwert; in der Hand hielt er eine silberbeschlagene Axt, die wie eine Hellebarde geformt war.
»Da bin ich wieder, Vetter«, sagte der Mann.
»Für deine Heimkehr hätte ich dir besseres Wetter gewünscht, Sigmund«, erwiderte Tröndur.
»Dieses kommt mir nicht ungelegen«, sagte der Mann.
Unter Tröndurs Leuten sprach sich schnell herum, wer der Mann war, denn einige waren ihm schon früher begegnet. Sigmund Brestirsson war ein naher Verwandter Tröndurs, aber seit den Tagen ihrer Kindheit herrschte zwischen ihnen unversöhnlicher Haß. Man sagte, sie haßten einander so sehr, daß
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