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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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Stichen vernähten Einschnitt auf: Dort war dem Kleinkönig der Dolch seines Gegners in die Brust gedrungen. In späteren Jahren, als sich in Björns Geschichten eigene Erlebnisse mit denen anderer immer dichter verwoben, sollte ihm das Loch im Wams noch des öfteren als Beweis dafür dienen, daß er seinen Reichtum beinahe mit dem Leben bezahlt hätte.
    Als sie den Anker lichteten, lief ein Langschiff in den Hafen ein, bei dessen Anblick Björn der Herzschlag stockte. Es war Thorgeir Bryntrolls Schiff. Und während es nun, von seinen zwanzig Ruderern kraftvoll vorangetrieben, auf den Knorr zuhielt, sah er, wie der Wikinger den Stevenmann beiseite schob und dessen Platz einnahm.
    Eine knappe Schiffslänge vor dem Knorr drehte das Langschiff bei; die Ruderblätter klatschten flach auf das Wasser. Thorgeir Bryntroll kniff die Augen zusammen, und auf seinem Gesicht zeigte sich ein Anflug von Staunen. Was, mochte er sich fragen, tat ein prachtvoll gekleideter Mann auf diesem unansehnlichen Knorr? Und wo, schien er zu überlegen, hatte er den Mann schon einmal gesehen? Der Wikinger legte einen seiner tätowierten Arme um den Vordersteven und neigte, während er Björn von oben bis unten musterte, nachdenklich den Kopf.
    »Ich habe seit Tagen kein Bier mehr getrunken«, sagte Thorgeir Bryntroll. »Sonst wüßte ich, wo ich dich hintun soll. Wer bist du?«
    Einer plötzlichen Eingebung folgend, wandte sich Björn, als habe er Thorgeir nicht verstanden und sei demzufolge auf ihre Dolmetscherdienste angewiesen, an die drei Brüder. Diese wichen seinem Blick aus und stierten gleichmütig vor sich hin. Nun begann Björn in einem seltsamen Kauderwelsch zu reden, in dem sich Wörter aus sämtlichen Sprachen wiederfanden, die er jemals gehört hatte; er mischte das kehlige Gurren des Arabischen mit den Schnalz-und Zischlauten der Terfinnen, flocht hier und da den Singsang alter Zaubersprüche ein und überschüttete den Wikinger mit einem solchen Redeschwall, daß dieser, nach mehreren vergeblichen Versuchen, zu Wort zu kommen, angewidert die Augen schloß. Als Björn schließlich verstummte, weil er seinen Vorrat an fremdartigen Wörtern und Lauten erschöpft sah und nicht durch ständige Wiederholung Thorgeirs Argwohn wecken wollte, sagte dieser zu seinem Steuermann: »Hast du ihn verstanden, Tryggve?«
    »Er muß seiner Mutter aus dem Arsch gekrochen sein«, antwortete der Steuermann bedächtig. »Denn was er sagte, klang so, als ob es rückwärts gesprochen sei.« Da verzog der Wikinger sein buntes Gesicht zu einem Grinsen und befahl seinen Männern weiterzurudern.
    Der ablandige Wind trieb den Knorr schnell von der Küste fort. Als die Sonne unterging, befanden sie sich schon auf dem offenen Meer, und als sich der Himmel im Osten wieder zu röten begann, sah Björn voraus die Nordspitze von Jütland. Ohne die Fahrt zu unterbrechen, segelten sie an der Küste entlang nach Süden. Gegen Abend flaute der Wind ab, so daß der Knorr kaum noch Fahrt machte. Die Nacht verbrachten sie an Bord; sie aßen gepökeltes Hammelfleisch und tranken von dem Bier, das Björn in Skiringssal gekauft hatte. Es war stark und süß, und während das Schiff langsam und beinahe geräuschlos durch das Wasser glitt, spürten sie, wie das Bier sie trunken machte. In dieser Nacht geschah nichts, außer daß sie reihum Geschichten erzählten und sangen; die Brüder kannten viele Geschichten und noch mehr Lieder, sie sangen laut und nicht immer so, daß es dem Ohr schmeichelte, aber wennBjörn an die Reise zurückdachte, war diese Nacht unter allen Nächten, die er in der Fremde verbracht hatte, die einzige, in der er sich glücklich gefühlt hatte. Darüber sprach er aber nur selten, denn es war nicht einfach, seinen Zuhörern klarzumachen, daß es noch ein anderes Glück gab als jenes, dem er seinen Reichtum verdankte.
    Mehrere Tage kreuzten sie bei wechselnden Winden zwischen den Inseln, bevor Björn die Sandbänke sichtete, die das Meer vor der Mündung der Förde aufgeworfen hatte. Die Rinne, durch die sie Thormods Schiff in die offene See geschoben hatten, war versandet. Aber weiter südlich fand Björn einen schiffbaren Kanal. Vom Ostwind und einer starken Strömung getrieben, rauschte der Knorr in das kabbelige Wasser der Förde.
    Bald darauf kamen ihnen zwei Langschiffe entgegen, von denen das eine ein Purpursegel trug. Auf dem Schanzdeck stand ein Jüngling mit einem spitzen glänzenden Helm. Als die Schiffe kaum einen Steinwurf entfernt

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