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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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vorüberglitten, sah Björn, daß es König Haralds Sohn war. Svens blasses Gesicht hatte die kindlichen Rundungen verloren, war schmal und hart geworden, und als ihn der Blick aus den hervorquellenden Augen traf, überlief Björn ein Schauer.
    »Das ist Sven Haraldsson«, flüsterte er den Brüdern zu. »Man sagt ihm voraus, daß er über ein großes Reich herrschen werde, und nur wenige können sich rühmen, ihn mit eigenen Augen gesehen zu haben.«
    »Bei uns daheim gelten Könige nicht viel«, entgegnete der Gelbe, der in jener Nacht Vertrauen zu Björn gefaßt hatte und seitdem nicht mehr so schweigsam war. »Soweit die Erinnerung zurückreicht, haben sie uns schlimmer heimgesucht als Stürme, Hungersnöte und Seuchen. Und auch diesem dort steht der Wohltäter nicht im Gesicht geschrieben.«
    »Kennst du ein Ungeheuer, das hungriger wird, je mehr du ihm zu fressen gibst?« fragte der Braune.
    »Ich hätte euch gern bei mir aufgenommen«, sagte Björn zu den Brüdern. »Aber nun halte ich es für besser, wenn ihr der Stadtschleunigst den Rücken kehrt. Denn für Leute, die so reden, hält man dort eine Reihe spitzer Pfähle bereit, und es könnte sein, daß sich mein Kopf neben euren wiederfindet.«
    Als der große Stein in Sicht kam, der unterhalb von Bosis Hof am Ufer lag, legte Björn kurzerhand das Ruder herum und steuerte den Knorr neben dem Stein in das Schilf. Da war der Pfad, der vom Ufer durch dorniges Gestrüpp und weiter oben zwischen hochstämmigen Buchen zum Hof emporführte. Da war das Feld in der Lichtung, das im vorigen Jahr Roggen getragen hatte und nun brachlag. Björn roch den Duft des Herdfeuers, hörte Kühe brüllen, Kindergeschrei. Und da lag der Hof vor ihm, Bosis Hof.
    Auf dem Platz zwischen Wohnhaus und Stallungen spielten Kinder. Björn zählte mehr als zehn und fragte sich schmunzelnd, wie viele von ihnen Bosi noch gezeugt haben mochte. Eine Frau kam aus dem Wohnhaus. Sie rief den Kindern etwas zu, und an ihrer Stimme erkannte Björn, daß es Gudrid war, Bosis Weib. Während sie sich wieder der Tür zuwandte, fiel ihr Blick auf Björn. Ihr fülliger Körper erstarrte in der Drehung, und ihr Mund öffnete sich, bis das Kinn in den Fettwülsten zwischen Hals und Brust versunken war. Dann stieß sie einen schrillen Laut aus und verschwand im Haus.
    Björn wollte ihr folgen, als eine Stimme sagte: »Was für ein bunter Vogel hat sich da zu uns verirrt?« Er fuhr herum und sah einen Mann hinter sich stehen, der in allem Bosi glich, nur daß er um etliches jünger war.
    »Erkennst du mich nicht, Bruder?« fragte Björn.
    Tore musterte Björn mit dem abwägenden Blick eines Bauern, dem ein Stück Vieh zum Kauf angeboten wird. Dann sagte er: »An deiner Hasenscharte sehe ich, daß du Björn bist, Björn Hasenscharte. Was willst du?«
    »Lebt Vater noch?« fragte Björn.
    »Komm rein und sieh selbst«, antwortete Tore.
    Vor dem Herdfeuer saß, von den Zehenspitzen bis zum Hals in Decken gehüllt, ein alter Mann. Sein Kopf war kahl, bis auf einigeBüschel verfilzten Haars. Als Björn sich neben ihn setzte, murmelte der alte Mann, mit dem Daumen auf Tore deutend: »Ich wünschte, ich hätte meinen Samen in den Acker gespritzt, statt den da zu zeugen. Er ist böse und habgierig, er hat mir meinen Hof weggenommen und alles, was ich besaß. Sobald ich wieder bei Kräften bin, werde ich zum Thing gehen und dort Anklage gegen ihn erheben, ja, das werde ich tun.«
    »Sieh, wer da ist, Vater«, sagte Tore.
    »Er kann es nicht erwarten, daß ich sterbe«, flüsterte Bosi. »Nach allem, was er mir schon gestohlen hat, möchte er auch noch meinen Sitz auf dem Thing einnehmen. Aber wenn ich diese Krankheit überstanden habe, werde ich gesünder sein als je zuvor.« Er kicherte in sich hinein und rieb sich die von Gicht verkrüppelten Hände.
    »Es ist Björn, Vater«, sagte Tore, »dein und Vigdis' Sohn.«
    »Als ich herkam, war hier Wald«, fuhr Bosi fort. »Ich habe einen Hof gebaut und später einen zweiten, der noch größer war. Jeden Fußbreit Bodens habe ich mit meinem Schweiß getränkt, und jetzt tut dieser Sohn einer Magd, als gehöre alles ihm.« Er warf die Arme empor und schrie: »Wo sind die Söhne, die ich mit Vigdis hatte? Warum kommen sie nicht und verhelfen mir zu meinem Recht?«
    »Einer von ihnen sitzt neben dir, Vater«, sagte Tore.
    »In meinem ganzen Leben bin ich noch nicht krank gewesen«, sagte Bosi. »Gudrid meint, das käme vom Alter, aber ich weiß es besser.« Er griff nach

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