Die Maenner vom Meer - Roman
geirrt«, schmunzelte Björn.
Tore griff nach dem Saum von Björns Mantel und ließ die Goldborte durch seine Finger gleiten. »Überdies scheint sich die Reise gelohnt zu haben«, sagte er.
»Ich will nicht behaupten, daß ich mit leeren Händen heimkehre«, entgegnete Björn. Er schenkte Tore einen Armreif, der, zwei Finger breit, aus purem Silber gefertigt war.
Tore wog den Armreif in der Hand: »Du bist sehr großzügig, Bruder. Aber er wird mir wenig nützen. Ich kenne keinen Bauern, der mir den Rest herausgeben könnte, wenn ich davon eine Kuh kaufen wollte.«
»Dann hack ihn in Stücke«, schlug Björn vor. »Oder kauf zwanzig Kühe!« Er lachte, und er fand, daß es ein gutes Gefühl war, reich zu sein.
Sie saßen noch lange auf dem Baumstumpf und sprachen miteinander. Tore erzählte weitschweifig von Schneestürmen und Dürre, vom Schweinesterben und einem Kalb mit zwei Köpfen, doch wenn Björn das Gespräch auf die Stadt lenkte, wurde er einsilbig und gab ausweichende Antworten. Wie alle Bauern sah auch Tore in der Stadt einen Fremdkörper, den man beizeiten auszumerzen versäumt hatte; inzwischen war er zu einem Ungeheuer herangewachsen, das man, da es nicht mehr aus der Welt zu schaffen war, zumindest aus seinen Gedanken zu verbannen suchte.
Von Tryn wußte Tore zu berichten, daß er während eines Saufgelages mit den Leibwächtern des Königs aneinandergeraten sei. Da diese zu dritt gewesen seien, hätten sie ihn zuerst arg in die Enge getrieben. Als aber einer der Leibwächter ihm ein Trinkhorn ins Gemächte gerammt habe, sei in Tryn der Berserker erwacht. Mit einem Tischbein habe er einem der Leibwächter den Schädel zertrümmert und die beiden anderen in die Flucht gejagt. Er sei ihnen bis vor das Haus des Königs gefolgt, und als Harald Blauzahn aus der Tür geblickt und zu wissen begehrt habe, was da vor sich ginge, habe Tryn dem einen vor den Augen des Königs das Genick gebrochen und den anderen auf das Dach geworfen.
»Wie nahm es der König auf, daß Tryn drei seiner Leute umbrachte?« fragte Björn.
»Man sagt, Harald Blauzahn habe Tryn sogleich angeboten, in seine Dienste zu treten«, antwortete Tore. »Damit traf der Königeine gute Wahl, denn bislang soll Tryn ihm schon manches Mal das Leben gerettet haben. Auch wird erzählt, Tryn habe bei einer Schlacht gegen die Norweger ein solches Gemetzel angerichtet, daß das feindliche Heer, obwohl an Zahl weit überlegen, entsetzt die Flucht ergriffen habe.«
»Läßt der König ihn an seiner Tafel sitzen?« fragte Björn. Tore hob die Schultern. Davon, entgegnete er, habe Asmund nichts erzählt.
Mehr sprachen sie bei dieser Gelegenheit nicht miteinander. Danach ging Björn allein in den Wald. Er folgte dem Pfad, der zu Gris' Höhle führte, doch dieser wurde schmaler, je tiefer er in den Wald vordrang, und verlor sich schließlich im Dickicht. Eine Weile streifte er suchend umher, dann kehrte er auf demselben Weg, den er gekommen war, zum Schiff zurück.
Gegen Abend gelangten sie in den südlichen Seitenarm der Förde, an dem die Stadt lag. Die Brüder erhoben sich von den Ruderbänken und suchten hinter verkniffenen Mienen ihr Erstaunen zu verbergen.
»Das ist die Stadt, von der ich euch erzählt habe«, rief Björn. »Habe ich übertrieben, als ich sagte, daß sie um einiges größer sei als Skiringssal?«
Der Rote ließ seine Augen über die Stadt wandern. »Hat diese keinen Namen?« fragte er.
»Sie hat viele Namen«, erwiderte Björn. »Jeder nennt sie anders, je nachdem, woher er kommt.«
Die Brüder blickten einander an. Dann sagte der Gelbe: »Wir werden hier nicht lange bleiben.«
Als sie an Steinns Haus vorüberkamen, bat Björn die Brüder zu warten und ging um das Haus herum zur Hintertür. Sie war unverriegelt. »Erschrick nicht, Thordis«, flüsterte er, »ich bin es, Björn.« Aus dem Dunkel kam keine Antwort, aber ihm war, als hielte jemand den Atem an.
»Ich bin wieder da, Thordis«, sagte er etwas lauter. Plötzlich stand sie vor ihm und streckte, taumelnd vor Schlaftrunkenheit,die Arme nach ihm aus. Er zog sie an sich. Ihr Körper war warm und fülliger, als er ihn in Erinnerung hatte. »Bist du es wirklich?« murmelte sie.
Er lachte leise in ihr Ohr. »Du träumst nicht«, sagte er. »Und ebensowenig ist es ein Traum, daß ich jetzt reich genug bin, die Bedingung deines Vaters zu erfüllen.«
»Mein Vater wird dich nicht mehr fragen, wieviel Geld du hast«, entgegnete Thordis. »Er wird froh sein, wenn du
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