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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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auf den Fersen waren. Was ihn davon abgehalten habe, den Gedanken in die Tat umzusetzen, wisse er nicht; vielleicht sei es die Ahnung gewesen, daß er für die Mühsal reichlich belohnt werden würde.
    Nachdem sie einen Fluß durchquert und den jenseitigen Berghang erstiegen hatten, gelangten sie in einen kleinen Wald, der auskaum mannshohen, verkrüppelten Bäumen bestand. Dort ließen sie sich erschöpft ins Moos fallen und lauschten mit angehaltenem Atem. Aber es blieb still, nur der Wind raschelte im Laub abgestorbener Zweige. Mit Anbruch der Dunkelheit zog ein Gewitter herauf. Im bläulichgrellen Licht der Blitze sprangen knorpelige Verwachsungen aus dem Dunkel hervor, gespenstische Fratzen grinsten sie an, und einmal war es Björn, als sähe er in einer Astgabel Hyrrokkins verschrumpeltes Gesicht, ihre hellgrünen Augen. In der Nacht träumte Björn von Hyrrokkin; sie stand groß und breitschultrig neben dem schlafenden Thormod, hielt mit beiden Händen eine Kreuzotter gepackt und zog sie auseinander, bis sie lang und schmal war wie ein Pfeil.
    Am nächsten Morgen war Thormod tot. Ein dünner Stock war mit solcher Wucht zwischen seine Schulterblätter getrieben worden, daß dessen Spitze fast eine Handbreit aus seiner Brust hervortrat. Thormods Augen waren weit aufgerissen, so, als sei er noch im Tod von Schrecken ergriffen. Björn zog den Stock aus Thormods Rücken; er war aus schwarzem, sehr hartem Holz, und es gelang ihm nicht, ihn zu zerbrechen. Wortlos häuften sie Laub und Moos über den Leichnam, leerten den Sack aus, den Thormod getragen hatte, und teilten untereinander auf, was ihnen am wertvollsten erschien.
    Da zu vermuten war, daß Thorgeirs Männer die Suche nach ihnen noch nicht aufgegeben hatten, verließen sie den Wald erst, als es dunkel zu werden begann. Der Wind kam vom Meer her; er wies ihnen die Richtung, die sie einschlagen mußten, wenn sie ihren Verfolgern nicht in die Arme laufen wollten.
    Sie gingen die ganze Nacht hindurch, und nach einem beschwerlichen Anstieg durch eine mit Geröll gefüllte Klamm gelangten sie in der Morgendämmerung auf eine Felsplattform, von deren Rand sie in einen tief unter ihnen liegenden, beinahe kreisrunden See blicken konnten. Sein Wasser war hellgrün, so daß Björn der Gedanke durchfuhr, ihn starre eines von Hyrrokkins Augen an.
    »Ein guter Platz, findest du nicht?« fragte Leif. Er ließ den Sackmit dem Beutegut von seiner Schulter gleiten. »Wenn du einverstanden bist, wollen wir es jetzt hinter uns bringen.«
    »Niemand weiß, daß ich Vagn getötet habe«, sagte Björn.
    Leif zog sein Schwert und fuhr mit dem Daumen über die Klinge. »Ich weiß es«, erwiderte er.
    »Er hat dir Übles angetan.«
    »Das ist wahr. Aber er war mein Verwandter, deshalb lohnt es nicht, noch länger darüber zu reden.«
    Den Hergang des Zweikampfes finden wir in Björns Erzählungen nicht annähernd so ausführlich beschrieben wie seine anderen Erlebnisse. Meistens pflegte er seine Zuhörer darauf hinzuweisen, daß er, Björn, leibhaftig vor ihnen sitze, womit sich die Frage nach dem Ausgang des Kampfes von selbst beantworte. Drang man jedoch in ihn, gab Björn zu verstehen, daß er seinen Sieg als unverdient betrachte; einen Gegner wie Leif hätte er schwerlich bezwingen können, wäre ihm nicht Hilfe von anderer Seite zuteil geworden. Während eines hitzigen Schlagabtausches sei er vor dem ungestüm nachsetzenden Leif an den Rand der Felsplatte zurückgewichen, der Blick hinunter in das grüne Auge des Sees habe ihn mit Entsetzen erfüllt, aus Angst, in die Tiefe zu stürzen, habe er beide Arme nach vorn geworfen, dabei sei ihm das Schwert entglitten, und als er nun auf den Knien liegend mit geschlossenen Augen den tödlichen Hieb erwartet habe, sei ein leises, allmählich ersterbendes Röcheln an sein Ohr gedrungen. Niemand vermöge sein Erstaunen zu beschreiben, als er nach einer Weile die Augen geöffnet und Leif blutüberströmt am Boden habe liegen sehen. Wie das geschehen konnte, wisse er nicht zu sagen, aber er sei sicher, daß es nicht seine Hand gewesen sei, die das Schwert bis an den Knauf in Leifs Brust gerammt habe.
    Als die Sonne hinter einem Berggipfel hervorkam, wanderte ein langer schmaler Schatten über die Felsplattform und fiel auf Björn. Er hob den Kopf und sah, daß es Hyrrokkin war. Ihr wirres, in gleißendes Licht getauchtes Haar umzüngelte flammengleich das faltige Gesicht.
    »Geh jetzt, Björn Hasenscharte, geh, bevor dir ein Wort des Dankes

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