Die Maenner vom Meer - Roman
zu erwarten, schloß Poppo seinen Bericht.
»Denkst du anders darüber?« fragte Björn.
»Selten steht es so schlecht, daß es nicht noch schlimmer kommen könnte«, antwortete der Bischof. »Gott behüte uns vor einem König, der weder lachen noch weinen kann!« Damit ging er.
König Harald ließ die Wachen auf dem Ringwall verstärken und einen Teil seiner Flotte nahe der Fördemündung vor Anker gehen, um einen Angriff von See her abzuwehren. Er selbst betrat die Stadt nicht, schickte aber Bue den Dicken mit dem Auftrag, die Hälfte aller Vorräte, mit denen sich die Einwohner für den Winter versehen hatten, in das Lager zu schaffen. Überdies sollte Bue nach Männern Ausschau halten, die ihm für den Kriegsdienst tauglich erschienen. Kaufleute wußten zu berichten, daß die Vorhut des kaiserlichen Heeres bereits einen der Vorwälle des Danewerks erstürmt habe und nun weiter nach Norden vorrücke. Harald schickte dem Feind eine Hundertschaft Norweger unter dem Befehl der Brüder Sigurd und Harek entgegen. Aber bevor es zum Kampf kam, setzte ein Schneesturm von solcher Heftigkeit ein, daß die wetterfesten Norweger hinter Sträuchern und Erdhügeln Schutz suchten, während die Ritter, wenn man den Berichten glauben darf, mit ihren Pferden zu klumpigen Standbildern erstarrten.
Der Winter zwang den Kaiser, sich mit seinem Heer in ein Lager südlich der Elbe zurückzuziehen. Auch dort, erzählte man sich, hätten die meist aus wärmeren Ländern stammenden Söldner arg unter der Kälte gelitten, und nur durch die tägliche Auspeitschung vermeintlicher Unruhestifter sei es gelungen, die Ordnung aufrechtzuerhalten. So blieb Harald ohne eigenes Zutun vor der drohenden Niederlage bewahrt.
Nach dem Schnee kam der Frost. Ein eisiger Nordwind fegte den Himmel leer und ließ in einer einzigen sternklaren Nacht das Wasser der Förde gefrieren. Nun war es an der Zeit, sich gegen die Überfälle der Wenden zu wappnen, denn sobald die Förde mit einer tragfähigen Eisschicht bedeckt war, pflegten sie die Stadt plündernd heimzusuchen. Aber statt der schlitzäugigen Räuber kamen nur einige Bauern mit ihren Schlitten über das Eis. Unter ihnen war auch Tore, Bosis Sohn.
Er war zu einem stattlichen Mann geworden, breit in den Schultern und schon ein wenig rundlich um die Hüften, soweit es der unförmige Schaffellmantel erkennen ließ. Finsteren Gesichts schritt er dem Schlitten voran, den zwei Knechte zogen, sein Blick war voller Verachtung, und kopfschüttelnd sah er, was er an Widerwärtigem zu sehen erwartet hatte.
Björn saß mit den Seinen zu Tisch, als Tore an die Tür klopfte. Er nahm den Bruder freundlich auf, ließ ihm Grütze und Bier vorsetzen und brachte ihn durch beharrliches Fragen dazu, daß er zu erzählen begann.
So erfuhr Björn, daß sein Vater gestorben war. Mit dem Hof hatte Tore auch Bosis Sitz auf dem Thing übernommen. Unter den Bauern nördlich der Förde war Tore jetzt einer der reichsten, und sein Ansehen wuchs noch, als er die Tochter des Thingsprechers heiratete, der zwar nicht wohlhabend war, dafür aber König Knuba zu seinen Vorfahren zählen durfte. Tore erfüllte es mit nicht geringem Stolz, daß Bue der Dicke ihn im Namen König Haralds aufgefordert hatte, ein Langschiff mit dreißig Ruderern zu stellen. Solches, meinte Tore, werde sonst nur von Häuptlingen verlangt, und er denke darüber nach, ob er beim nächsten Thing nicht Anspruch auf die Häuptlingswürde erheben solle.
»Willst du meinen Rat, Bruder?« fragte Björn.
Deshalb, gab Tore zur Antwort, sei er in die verhaßte Stadt gekommen, und draußen auf dem Schlitten läge ein frischgeschlachtetes Schwein, mit dem er sich für einen guten Rat erkenntlich zeigen wolle.
»Reicht es dir nicht, daß Harald ein Langschiff mit dreißig Ruderern von dir fordert?« fragte Björn. »Verlangt es dich nach der Häuptlingswürde, damit er dich wie einen Häuptling schröpft?« Es dauerte eine Weile, bis Tore begriff, und es war Mitternacht, als er das Schwein hereinbringen ließ und mit schwerer Zunge Björns Klugheit rühmte. Sie tranken bis zum Morgen, und als es draußen hell wurde, legten sie sich zu Asfrid und beschliefen sie, um ihren Samen zu mischen und dadurch der brüderlichen Eintracht Bestand zu verleihen.
Beim Abschied sagte Tore: »Du hast eine Tochter, die schön und stark zu werden verspricht, Bruder. Wenn du es wünschst, will ich mich in der weitläufigen Verwandtschaft meiner Frau nach einem Mann für sie
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