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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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umsehen.«
    Björn dankte ihm, bat aber, keine festen Abmachungen zu treffen, bis er mit Vigdis gesprochen und sich ihrer Zustimmung versichert habe. Denn neben manchen lobenswerten Wesenszügen besäße sie einen ausgeprägten Eigensinn, der, ginge man nicht behutsam vor, leicht in Verstocktheit umschlagen könne.
    Da wurde Tore zornig und verfluchte die Stadt, wo man halbwüchsigen Töchtern bei Entscheidungen mitzureden erlaube, die allein Sache des Vaters seien.
    Ungeachtet ihres trotzigen Wesens hegte Björn eine zärtliche Zuneigung zu Vigdis, und diese belohnte ihn dafür mit einer Anhänglichkeit, die ihn oft zu Tränen rührte. Stundenlang konnte sie neben ihm an der Werkbank sitzen und ihm bei der Arbeit zuschauen. Sie teilte seine Freude, wenn ihm ein Schmuckstück besonders gut gelungen war, und sie schalt ihn, wenn er es jemandem verkaufte, dem sie nicht zutraute, daß er seine Schönheit zu würdigen verstand. Am liebsten aber hörte sie zu, wenn er von seiner Kindheit erzählte, von ihrer Großmutter Vigdis, die als Wiedergängerin beinahe Bosis Hof verwüstet hätte, und von Gris dem Weisen.
    Es konnte nicht ausbleiben, daß Asfrid ihren Mann zunächst andeutungsweise, dann immer unverhohlener dran erinnerte, daßsie vier Kinder geboren habe, die zweifelsfrei von ihm gezeugt seien und somit berechtigteren Anspruch auf seine väterliche Liebe hätten als Vigdis. Schließlich drohte Björn ihr Prügel an, falls sie ihn nicht mit solchem Weibergewäsch verschone. Nun sollte Vigdis die Abneigung ihrer Stiefmutter zu spüren bekommen.
    Asfrid war nach jeder Geburt stattlicher geworden, und mit ihrer Leibesfülle wuchs ihre Herrschsucht. Bald genügte es nicht mehr, daß man ihr gehorchte, sie verlangte Unterwerfung. Da konnte es geschehen, daß Vigdis' Augen aus schmalen Lidern über die rundliche Gestalt der Stiefmutter glitten, daß sie, wie vor einem Zweikampf, Maß nahm.
    Zu einem ersten Streit kam es, als Asfrid eines ihrer abgelegten Kleider nicht, wie üblich, den Mägden schenkte, sondern es Vigdis gab. Diese zerriß es vor ihren Augen. Daraufhin geriet Asfrid derart außer sich, daß sie Vigdis ins Gesicht schlug. Man erzählt, Vigdis habe mit beiden Händen den Hals ihrer Stiefmutter gepackt, aber sogleich wieder von ihr abgelassen und damit ein erstaunliches Maß an Beherrschung bewiesen. Wir vermuten jedoch, daß Vigdis in diesem Augenblick der Gedanke kam, sich nicht durch eine unüberlegte Tat um den Genuß zu bringen, den der Haß jenem beschert, der ihn reifen läßt.
    Gegen Ende des Winters wurde die Stadt von einer Rattenplage heimgesucht. Schon immer waren die langschwänzigen Nager unerwünschte Hausgenossen gewesen, doch Katzen und Hunde hatten dafür gesorgt, daß ihre Zahl nicht überhandnahm. Nun aber traten sie in solcher Menge auf, wie man es seit Menschengedenken nicht mehr erlebt hatte. In wimmelnden Scharen fluteten sie durch die Straßen, und als sich ihnen dort, weil immer neue nachdrängten, kein Platz mehr bot, kletterten sie auf die Dächer, so daß es aussah, als habe sich ein lebendiger grauer Teppich über die Stadt gelegt.
    Bald bestätigte sich die Vermutung, daß man es mit Wanderratten zu tun hatte, denn die ersten, die ihnen zum Opfer fielen, waren ihre in der Stadt lebenden Artgenossen. Als sie diese gefressen hatten, machten sie sich über die Haustiere her. Nur an die Menschenwagten sich die Ratten nicht heran. Doch der gierige Blick aus tausenden kleiner schwarzer Augen ließ befürchten, daß sie ihre Scheu bald überwunden haben würden.
    Einige angesehene Stadtbewohner, unter ihnen auch Björn, gingen zu Bischof Poppo und baten ihn um Rat, wie man der Rattenplage Herr werden könne. Poppo empfahl zu beten, vergaß jedoch nicht zu erwähnen, daß das Gebet eines Heiden selten erhört werde. Daraufhin nahmen etliche die Taufe. Während der heiligen Handlung geschah es zum ersten Mal, daß ein Mensch von den Ratten gebissen wurde. Dies hatte einen hastigen Aufbruch zur Folge, denn welchen Nutzen sollte man sich von einem Gott versprechen, der das Ungeziefer nicht einmal vom eigenen Haus fernhalten konnte?
    Björn blieb als einziger zurück. Auf die Ratten herabblickend fragte er: »Weißt du keinen besseren Rat, Poppo?«
    »Du sprichst mit einem Diener des Allmächtigen, und welchen besseren Rat sollte ich dir geben, als meinen Herrn um Beistand zu bitten«, antwortete der Bischof mit strenger Miene. Dann senkte er die Stimme und fuhr fort: »Doch ich vergesse

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