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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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Füßen gefesselt, Asfrid. Um ihren mächtig vorgewölbten Bauch tummeln sich Ratten, zerren an ihren Brüsten, ihren Fingern, ihrem Gesicht. Björn überkommt bei diesem Anblick Übelkeit; er erbricht sich, während die Mägde mit lautem Schreien und heftigen Gebärden die Ratten verscheuchen und Tücher breiten über Asfrids blutigen Leib.
    Nun zog Björn ein Messer aus dem Gürtel und durchschnitt die Stricke, mit denen Asfrid an das Bett gebunden war. Sie warennach Seemannsart geknotet, und er wußte, daß es außer ihm nur eine im Haus gab, die solche Knoten knüpfen konnte, denn er hatte es sie selbst gelehrt. Vigdis hielt seinem Blick eine Weile unbewegten Gesichts stand, dann öffneten sich ihre Lippen zu einem Lächeln. Das Lächeln machte Björn zum Mitwisser, ohne daß zwischen ihnen ein Wort gewechselt wurde. Auch später sollten sie nie über dieses furchtbare Ereignis sprechen.
    Noch am selben Abend brachte Asfrid, zwei Monate vor der Zeit, ein Kind zur Welt. Die Mägde erzählten, es habe gelebt, als man es Björn brachte. Dieser habe befohlen, ihn mit dem Kind allein zu lassen. In der Nacht seien sie durch einen langgezogenen Schrei geweckt worden; er sei so schrill gewesen, daß es in den Ohren geschmerzt habe, und als sie am Morgen nach dem Kind schauen wollten, sei es nicht mehr dagewesen, und Björn habe gesagt, die Ratten hätten es ihm, während er schlief, aus den Händen gerissen.
    Am nächsten Tag waren die Ratten verschwunden. An den Spuren, die sie im Schnee hinterlassen hatten, konnte man erkennen, daß sie nach allen Richtungen aus der Stadt gestoben waren; noch etliche Meilen entfernt bildeten ihre Fährten ein Gewirr einander zuwiderlaufender und sich kreuzender Linien.
    Asfrid war lange krank. Als sie sich nach vielen Wochen von ihrem Lager erhob, war sie kaum wiederzuerkennen, denn ihr Gesicht war von Narben entstellt und ihr Körper bis auf die Knochen abgemagert. Von Vigdis hielt sie sich seitdem fern; nie blieb sie allein mit ihr in einem Raum, und wenn sie einander unversehens begegneten, stockte ihr Schritt.

2
    KÖNIG HARALDS LAGER BESTAND aus Hunderten kleiner, mit Grassoden gedeckter Erdhütten, die sich in mehreren unregelmäßigen Kreisen um einen Bauernhof scharten. Dort wohnte Harald, seitdem es ihm im Zelt zu kalt geworden war.
    Der Schnee war schmutziggrau von der Asche der Lagerfeuer. Aus den notdürftig abgedichteten Eingängen der Erdhütten stank es nach Unrat und Schweiß. Der Wind trieb löchrige Schneeschleier von der Niederung her durch das Lager und blähte die Mäntel der Männer, die fröstelnd den Hof bewachten. Einer von ihnen fragte sie nach ihren Namen, und als sie sie ihm genannt hatten, verschwand er im Haus, während ein anderer Poppo und Björn nach Waffen absuchte. Er zog das Messer aus Björns Gürtel und steckte es wortlos in den Türpfosten. Ein vierschrötiger Mann erschien in der Tür. Er hielt eine Axt in der herabhängenden Hand, und wie diese war auch sein massiger Kopf mit rotem Haarfilz bedeckt. Anstelle der Nase trug der Mann einen schlaffen Lederbeutel im Gesicht, und daran mochte es liegen, daß Björn ihn nicht sogleich erkannte.
    »Was ist mit deiner Nase geschehen, Bruder?« fragte er.
    Tryn musterte ihn schweigend. Dann blickte er den Wächter an, und als dieser nickte, trat er beiseite und ließ sie ein.
    Sie kamen in einen Raum, in dessen Mitte ein mächtiges Feuer brannte. Ringsum an den Wänden standen rohgezimmerte Bänke,und auf diesen saßen dichtgedrängt die Gefolgsleute des Königs. Harald selbst hockte auf einem Fellstapel neben dem Feuer. Es war heiß und stickig in dem engen Raum, über den Köpfen der Männer lagerten Rauchschwaden, vom Reetdach tropfte geschmolzener Schnee.
    Tryn flüsterte dem König etwas zu und stellte sich dann hinter ihn, die Axt quer auf den verschränkten Armen, wachsam und argwöhnisch. Die Gespräche verstummten, als Poppo und Björn eintraten; aller Augen richteten sich auf sie, während sie, den Gruß des Königs erwartend, an der Tür stehenblieben.
    »Sieh da, Poppo«, sagte der König. »Man berichtete mir, der Sachse habe dir ein Erzbistum angeboten. Wie kommt es, daß du noch hier bist?«
    »Von solchem Angebot weiß ich nichts, Herr«, erwiderte Poppo. »Es könnte mich auch nicht verlocken, weil mir ein hartgesottener Heide lieber ist als ein scheinheiliger Christ, und von denen soll es da unten viele geben.«
    »Du bist, wie üblich, um eine gute Antwort nicht verlegen«, schmunzelte

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