Die Maenner vom Meer - Roman
der König. »Wer ist der kleine Mann, den du bei dir hast?«
Der Bischof zog Björn näher an das Feuer, damit der König sein Gesicht sehen konnte, und sagte: »Dies ist Björn Hasenscharte, Herr, ein weithin berühmter Kammacher und Geschichtenerzähler. Ich selbst habe oft die Zeit darüber vergessen, wenn er von seinen Erlebnissen berichtete, und ich denke, daß es auch dir gefallen könnte, ihn erzählen zu hören.«
»Das bleibt abzuwarten«, sagte der König. »Denn ich bin sehr müde, und er muß gut erzählen können, wenn ich nicht einschlafen soll.« Er winkte sie herbei und ließ sie neben sich am Feuer Platz nehmen.
Björn erschrak, als er Harald aus der Nähe sah. Die Gicht hatte seine Hände verkrüppelt, das Alter seinen Rücken gebeugt und tiefe Furchen in sein Gesicht gegraben. Der Zahn, dem er seinen Beinamen verdankte, war schwarz geworden; er sei ihm, hieß es, schonvor längerer Zeit ausgefallen, jedoch pflege er ihn, bevor er sich in der Öffentlichkeit zeige, mittels einer klebrigen Masse am Kiefer zu befestigen. Haralds Hinfälligkeit sprang um so deutlicher ins Auge, als hinter ihm, von Kraft und Gesundheit strotzend, Tryn stand. Dieser schien die Aufgabe, das Leben seines Herrn zu schützen, so hoch über alle Auszeichnungen zu stellen, daß er es mit Gleichmut hinnahm, seinen Bruder neben dem König sitzen zu sehen.
Während Harald sich in weitschweifigen Schilderungen seiner Krankheiten erging und Poppo ihn mehrfach eindringlich auf die heilende oder doch schmerzlindernde Wirkung des Gebets verwies, blickte Björn sich in der Runde um. Unter den Männern erkannte er Bue den Dicken, die Brüder Sigurd und Harek von den Schafsinseln und, in eine dunkle Ecke gedrückt, den windigen Wichmann. Den übrigen war er bislang nicht begegnet, und da sie sich allenfalls durch den Grad ihrer Verwahrlosung voneinander unterschieden, fiel es ihm schwer, jene auszumachen, von denen er schon häufig mit Bewunderung oder Abscheu hatte erzählen hören.
»Alles in allem hat es mir wenig Glück gebracht, daß ich mich von dir taufen ließ, Poppo«, seufzte der König. »Denn was ist von einem Gott zu halten, der meinen Feinden hilft, mich aus dem eigenen Land zu vertreiben?«
»Vergiß nicht, Herr, daß ihr beide euch dem einen und allmächtigen Gott anvertraut habt, der Kaiser und du«, entgegnete Poppo. »Wärst du gegen die Heiden in den Krieg gezogen, hättest du allein mit Gottes Beistand rechnen dürfen, aber da du einen Glaubensbruder zum Feind hast, muß er das Kriegsglück zwischen euch aufteilen, denn wie sonst sollte er sich als ein gerechter Gott erweisen?«
»Ich habe versprochen, die Dänen zu Christen zu machen!« rief der König zornig. »Dafür verlange ich von deinem Gott, daß er auf meiner Seite steht und nicht mit einem Bein auch auf der meines Gegners! Er sollte sich ein Beispiel an den alten Göttern nehmen: Sie waren für mich oder gegen mich, aber niemals beides zugleich!«
»Das ist wahr gesprochen«, ließ sich ein finster blickender, breitschultriger Mannvernehmen. »Doch wer zwingt dich, das Versprechen einzulösen, wenn der Christengott dir nicht hilft?«
»Laß dich nicht von Götzenanbetern wie Styrbjörn vom rechten Glauben abbringen, Harald«, sagte der Bischof mit scharfer Stimme. »Denn nach allem Unglück, das dir widerfahren ist, wird sich Gottes Gerechtigkeit nun zu deinem Vorteil auswirken.«
»Ich werde den Kaiser besiegen?« fragte Harald und öffnete den Mund, als wolle er den Bischof durch den Ausdruck des Erstaunens zu einer überraschenden Antwort verlocken.
»Du wirst, Herr, Grund haben, dem Allmächtigen zu danken«, sagte Poppo, den Blick fest auf Haralds müdes altes Gesicht gerichtet.
»Wann, Poppo?«
»Wenn du ihm vertraust.«
»Der Sachse wartet nur das Ende des Winters ab, dann wird sein Heer wieder vor dem Danewerk stehen«, sagte Harald. »Reicht die Zeit von einigen Wochen, deinen Gott geneigt zu machen, auch mir gegenüber Gerechtigkeit zu üben?«
»Er ist auch dein Gott, Harald«, erwiderte der Bischof. »Bete zu ihm, flehe ihn um seinen Beistand an, Besseres kann ich dir nicht raten.«
»Soll ich mich dem Kaiser zur Schlacht stellen oder nicht?« schrie Harald und trommelte mit beiden Fäusten auf seine Schenkel. »Sag deinem Gott, er soll mir ein Zeichen geben, damit ich weiß, woran ich bin! Ich kämpfe, wenn er es will, ich fliehe, wenn er es will, aber er soll mir ein Zeichen geben, ein Zeichen, ein Zeichen!« Speichel sprühte
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