Die Maenner vom Meer - Roman
nach oben und daneben in der entgegengesetzten Richtung: Eile, Freund, dem Freund zu Hilfe, oder dir wird ein schlimmes Ende beschieden sein.
»Deine Worte sind nicht weniger rätselhaft als die Zeichen auf dem Stab, Geschichtenerzähler«, seufzte der König. »Kannst du es nicht so sagen, daß ich es verstehe?«
»Deute ich die Runen richtig, so bittet dich Poppo um Hilfe, Herr«, antwortete Björn nach kurzem Zögern.
»Ist das alles?« fragte Harald. »So viele Zeichen für ein Hilfeersuchen? Läßt er mich nicht wissen, welcher Art die Hilfe sein soll?«
»Davon steht hier nichts, Herr«, entgegnete Björn und gab ihm den Holzstab zurück. Der König warf ihn ins Feuer. Er sollte nie erfahren, was Poppo ihm für den Fall prophezeit hatte, daß er ihm die Hilfe verweigere. Denn auch dies hatte Gris der Weise Björn gelehrt: Niemals dürfe der Runendeuter alles preisgeben, was er aus den Runen las.
»Kannst du mir sagen, was den Bischof veranlaßt, mich um Hilfezu bitten, obwohl er weiß, daß ich außerstande bin, sie ihm, in welcher Form auch immer, zu gewähren?« wandte sich der König an den Sklavenhändler.
Er sei, gab Gilli zur Antwort, auf seinen Reisen zwischen Holmgard im Osten, Nidaros im Norden und Dyflinn im Westen mit etlichen Dienern des Christengottes in Berührung gekommen, und es habe ihn immer wieder erstaunt, welcher Bösartigkeit sie gegenüber ihresgleichen fähig seien, obwohl doch einer den anderen ›Bruder‹ nenne. Was nun Poppo beträfe, so habe er die deutschen Mönche herzlich willkommen geheißen, sie in sein Haus geführt und reichlich bewirtet. Doch nach wenigen Tagen schon hätten es die Mönche an der einem Bischof gebührenden Achtung fehlen lassen, und als Poppo sie freundlich ermahnt habe, seien ihm rüde Antworten zuteil geworden. Nun habe sich Poppo an Hermann den Billunger gewandt und diesen gebeten, die Mönche wegen ihres unziemlichen Betragens zurechtzuweisen. Da sei er allerdings vom Regen in die Traufe gekommen, denn der Billunger habe seinerseits den Bischof beleidigt, indem er ihn einen ehemaligen Götzendiener, verkappten Zauberer, Säufer und Hurenbock geschimpft habe. Als Poppo daraufhin, erregt zwar, doch in wohlgesetzter Rede die Beschuldigungen zurückgewiesen habe, sei er von den Mönchen gezwungen worden, ein Schriftstück zu unterzeichnen, in dem er, Poppo, sich selbst einer Reihe widerwärtigster Vergehen bezichtigte. Anschließend habe der Billunger Poppo für abgesetzt erklärt und an seiner Stelle einen Mönch namens Rimbert zum Bischof von Schleswig ernannt. Mit bewundernswerter Fassung habe Poppo die Demütigungen hingenommen, aber kaum in seine Kirche zurückgekehrt, habe er die deutschen Mönche in einer donnernden Predigt mit Ausdrücken bedacht, von denen ›Satansbrut‹ einer der harmlosesten gewesen sei. Derart in Zorn habe sich Poppo geredet, daß er schließlich das Kruzifix vom Altar gerissen und es einem an der Tür lauschenden Mönch auf den Kopf geschlagen habe. Dies wiederum habe der Billunger zum Anlaß genommen, Poppo in eine Grube werfen zu lassen, die den Mönchen als Abtritt diente.
»Der Allmächtige springt reichlich grob mit seinen Dienern um«, grinste der König. »Und nun erwartet er von mir, daß ich ihn aus der Scheiße hole?«
Drei Tage und Nächte habe Poppo in der Grube ausharren müssen, entgegnete Gilli, dann sei ihm Rettung von oben zuteil geworden.
»Wie das?« fragte der König, während sein Mienenspiel von Schadenfreude in Verblüffung überwechselte.
Er selbst sei zwar nicht dabeigewesen, räumte Gilli ein, aber da das Wunder am hellichten Tag geschehen sei, gebe es genügend Augenzeugen, die übereinstimmend berichtet hätten, daß ein Engel mit wehendem Haar vom Himmel herabgestoßen sei und Poppo aus der Grube gezogen habe. Dieses Ereignis habe Poppo eine Weile Ruhe beschert vor den Anfeindungen der Mönche, doch inzwischen habe sich das Blatt wieder zu seinen Ungunsten gewendet, denn nicht nur seien sämtliche Augenzeugen des Wunders der Aufforderung der Mönche gefolgt, ihre Aussage öffentlich zu widerrufen, überdies sei auch Poppos Vorgänger Horath, altersschwach zwar und erblindet, aber vor Rachsucht berstend in die Stadt zurückgekehrt. Zwei Mönche seien tagein, tagaus damit beschäftigt aufzuschreiben, was Horath über Poppos Vergangenheit in Erfahrung gebracht habe. Als man Poppo davon berichtet habe, sei er nur mit Gewalt daran zu hindern gewesen, sich einen Dolch ins Herz zu
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