Die Männer von Bravo Two Zero
Wachmann. Einer von ihnen hielt mir eine Pistole an den Kopf, für den Fall, daß ich aufspringen und Karateschläge verteilen würde oder was sie mir sonst noch so zutrauten.
Auf dem Tisch lag eine von unseren Fluchtkarten.
»Darf ich aufstehen und zum Tisch kommen?«
»Steh auf.«
Die beiden Wachen hoben mich hoch und führten
mich zum Tisch. Die Waffe blieb auf meinen Kopf
gerichtet.
Ich zeigte, in welchem Gebiet ungefähr wir gelandet waren.
»Ja, Andy, das stimmt. Das wissen wir. Wir wissen, wann ihr gelandet seid, denn wir haben es gehört. Ihr seid zwei Nächte vorher gelandet, nicht wahr? Du hilfst uns wirklich. Das ist sehr gut.«
Ein paar von den Lügen, die ich ihnen erzählte,
mußten auf Wahrheit beruhen, wie alle guten Lügen.
»Zeig uns, wo ihr euch versteckt habt.«
Ich wies auf eine Biegung auf der MSR.
»Ja, gut, das wissen wir. Das ist gut, Andy, jetzt hilfst du uns. Wie viele wart ihr noch mal?«
»Acht.«
»Nenn mir Namen.«
Das war kein Problem. Sie wußten, daß wir zu acht
waren. Angenommen, sie hatten fünf von uns – tot oder 453
lebendig –, dann wußten sie unsere Namen, weil jeder eine Hundemarke trug. Und ich erweckte den Anschein, als würde ich helfen, was gut war – fürs erste. Später würde das Ganze vielleicht ausarten, und ich würde bis ans Ende meiner Tage Fragen beantworten müssen. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte ich keine andere Wahl. Sollte ich sie zwingen, Farbe zu bekennen, und es darauf
ankommen lassen, auszuprobieren, ob sie ihre Drohung wahrmachten? Ich mußte sie ernst nehmen.
Ich nannte die Namen. Sie schrieben sie auf.
»Wir wissen das.«
Ich wußte nicht, ob das bedeutete, daß sie alle in ihrer Gewalt hatten, oder ob es ein Bluff war. Ich gab mich besorgt wegen der beiden im Krankenhaus und tat
verängstigt und unterwürfig, doch innerlich dachte ich verzweifelt darüber nach, was ich gesagt hatte und was ich sagen sollte.
»Kümmern Sie sich bitte um die Leute im
Krankenhaus.«
»Erzähl uns mehr über die COP-Einheit. Was macht
sie?«
»Wir erstatten nur Bericht.«
»Bedeutet das, daß die britische Armee plant, im Irak einzumarschieren?«
»Ich weiß nicht. So etwas erfahren wir nicht. Man sagt uns nur, was wir machen sollen. Man sagt uns nicht, wozu. Wir sind bloß einfache Soldaten.«
»Wie viele COP-Einheiten gibt es?«
»Eine für jedes Bataillon.«
»Wie viele Bataillone sind hier?«
454
»Ich weiß nicht, das hat mich nicht interessiert. Mir kann das egal sein. Ich bin bloß Soldat.«
Ich war froh, daß wir keine Fahrzeuge mitgehabt
hatten. Als wir entdeckt wurden, wären Fahrzeuge von Vorteil gewesen, ohne Zweifel, doch jetzt konnten wir von Glück sagen, daß wir keine hatten, denn sonst hätte man uns mit dem Regiment in Verbindung bringen
können.
Allem Anschein nach waren sie mit meiner Erzählung zufrieden. Problematisch konnte es werden, wenn sie wieder mit den beiden anderen reden und sie fragen würden: »So, wir wissen, was ihr macht. Jetzt erzähl du es uns.« Doch damit war wohl nicht zu rechnen, die Jungs hatten bisher nichts gesagt, warum sollten sie plötzlich klein beigeben?
Wenn ich nicht redete, würden sie unsere Leute
sterben lassen. Wenn ich redete und sie herausfanden, daß ich ihnen wieder irgendwelchen Mist erzählt hatte, dann war ich schuld, wenn wir alle erneut in die Mangel genommen wurden und letztlich starben. Doch ich sah keine andere Lösung.
»Vielen Dank, daß du uns hilfst, Andy. Deine Lage
könnte sich verbessern. Allerdings nicht, wenn wir feststellen, daß du lügst. Doch es wird bestimmt besser.
Und ich freue mich, daß du so vernünftig bist und uns hilfst.«
Bei seinen Worten fühlte ich mich absolut beschissen.
Hatte ich wirklich das Richtige getan, fragte ich mich?
Würde das noch weitergehen? Würden sie mich jetzt für ihre Zwecke einspannen? Würden sie mich im Fernsehen 455
als »den netten Burschen aus England, der uns geholfen hat«, präsentieren? Ich mußte an Vietnam denken, daran, daß man Soldaten angeklagt und verurteilt hatte, als sie nach Hause kamen. Sie wurden als Kollaborateure
gebrandmarkt, und das von Leuten, die sich keine
Vorstellung von den Umständen machen konnten, unter denen dieser angebliche »Verrat« begangen wurde.
Aber da saß der gute Richard Pryor und erzählte mir, wir wären die besten Freunde, und das war nicht leicht zu ertragen.
»Das hast du gut gemacht, Andy. Sehr gut.«
Ich wußte, es war richtig gewesen, ihre Drohung
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