Die Männer von Bravo Two Zero
ein kleiner Fensterschlitz, durch den ein Lichtstrahl fiel.
Die untere Hälfte der Wände war rot gestrichen, die obere rosa. Und auf den ersten Blick war das auch schon alles, was es zu sehen gab. Dann entdeckte ich die Kritzeleien an der Wand, auf arabisch. Wieder Bilder von Tauben mit Ketten um die Beine und die Zeichnung einer Frau.
Ich humpelte durch die Zelle. Sie war etwa dreieinhalb mal zweieinhalb Meter.
Ich horchte angestrengt und hörte, wie andere Türen geöffnet und geschlossen wurden. Ich nahm an, daß
Dinger und Stan ebenfalls eingesperrt wurden. Zumindest waren wir alle an ein und demselben Ort. Und im
Vergleich zu dem Vernehmungsgefängnis war das hier der Buckingham Palace.
Waren sie jetzt mit uns fertig oder was? Ich war mir da nicht sicher, und es war mir eigentlich auch egal. Mir 463
gefiel es hier.
Eine Viertelstunde später öffneten sich die Türen erneut.
Ich hielt es für angebracht, mich zusammenzureißen und etwas Respekt zu demonstrieren. Um die Situation für dich vorteilhaft zu gestalten, mußt du dir Mühe geben und so etwas wie freundschaftliche Bande knüpfen.
Während ich langsam und vor Schmerzen ächzend auf
die Beine kam, trat ein neuer Typ in die Zelle. Er trug Zivilkleidung, aber eine Kampfjacke mit Tarnmuster darüber. Er war einssechzig groß und hatte weißes Haar.
Auf der Nase hatte er eine Brille mit richtig dicken Gläsern, und er lächelte übers ganze Gesicht.
»Wärst du gern mit deinen Freunden zusammen?«
sagte er strahlend.
»Ja, sehr gern.«
Er nahm mich am Arm und führte mich zu einer
anderen Zelle drei Türen weiter. Sie war leer.
Mensch, dachte ich – toller Witz! Einige Augenblicke lang war ich richtig glücklich gewesen, Dinger und Stan wiederzusehen. Ich setzte mich auf den Boden und
versuchte, mir meine Gefühle nicht anmerken zu lassen.
Zwei Minuten später ging die Tür auf, und Dinger
stand vor mir. Wir umarmten uns und schüttelten uns die Hände. Dann wieder ein paar Minuten später kam Stan hereingewankt, von zwei Wachen gestützt. In der Hand trug er ein Tablett mit Reis. Während die Wachen uns einschlossen und gingen, blickten wir uns ungläubig an, dann legten wir los.
»Chris und Vince?« fragte ich.
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»Vince ist tot«, sagte Stan. »Unterkühlung. Ich bin von Chris getrennt worden, ich weiß nicht, was mit ihm passiert ist. Was ist mit den anderen drei?«
Ich sagte, daß Mark tot sei, und vermutlich auch Legs und Bob – entgegen dem, was die Iraker mir erzählt hatten.
Wir schwiegen und begannen zu essen. Wir hörten
Schritte und Schlüsselgeräusche auf dem Gang und
standen wieder auf. Die Tür öffnete sich, und ein Major trat ein. Er stellte sich als der Gefängnisleiter vor.
»Für das, was euch dort passiert ist, wo ihr bisher wart, bin ich nicht verantwortlich«, sagte er in einem Englisch, das besser als meins war. »Aber jetzt habe ich die Verantwortung für euch. Wir werden euch verpflegen und versorgen. Wenn ihr euch gut verhaltet, sind wir auch gut zu euch. Wenn ihr Ärger macht, werdet ihr bestraft.«
Der Mann war knapp einssiebzig groß und von
schmaler Statur, war gut gekleidet, gepflegt, und er duftete frisch. Er schien es aufrichtig zu meinen. Wenn wir mitspielten, würde uns wahrscheinlich nichts
passieren. Aber noch während er sprach, war nicht zu übersehen, daß die Wachen hinter ihm nicht so freundlich lächelten wie er. Sie wirkten genauso brutal wie die, mit denen wir bislang zu tun hatten. Sie waren sehr jung, und sie würden uns bestimmt einiges beweisen wollen – und einander. Ich zweifelte nicht daran, daß die Wachen auf dem Tisch tanzen würden, wenn die Katze aus dem Haus war.
Nachdem der Major gegangen war, berieten wir uns.
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Dabei kamen uns unsere Erfahrungen, unsere Ausbildung und die Erfahrungsberichte amerikanischer
Kriegsgefangener in Vietnam zugute.
Wir nahmen uns vor, weiterhin die Unscheinbaren zu spielen, keine emotionalen Reaktionen zu zeigen oder uns übertrieben selbstbewußt zu geben. Wir waren noch nicht aus dem Schlimmen raus, noch lange nicht.
Wir würden uns den Wachen gegenüber respektvoll
verhalten. Das waren alles junge Spunde, und wir
konnten davon ausgehen, daß sie uns den Arsch
aufreißen würden, wenn wir frech oder aufsässig wurden.
Vielleicht konnten wir, bei respektvollem Verhalten, sogar Informationen aus ihnen herausbekommen oder
irgendwelche Pluspunkte sammeln, die uns unserem
nächsten Ziel, eine Form von persönlicher
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