Die Männer von Bravo Two Zero
kein Militär-Lkw war, standen wir auf. Die
Scheinwerfer erfaßten uns, und der Wagen kam ein paar Meter vor uns zum Stehen. Ich hielt den Kopf gesenkt, um meine Augen zu schützen und um mein Gesicht vor dem Fahrer zu verbergen. Bob und ich humpelten auf den Wagen zu.
»Ach du Scheiße«, murmelte ich Bob ins Ohr.
Von allen Fahrzeugen im Irak, die in dieser Nacht
hätten vorbeikommen können, um sich von uns kapern zu lassen und uns auf dem schnellsten Weg in die Freiheit zu bringen, mußten wir uns ausgerechnet ein New Yorker Taxi aus den fünfziger Jahren aussuchen. Ich konnte es nicht fassen. Chromstoßstangen, Weißwandreifen und alles, was dazugehört.
Wir zogen unsere Nummer ab. Bob ließ sich von mir
stützen und machte einen auf verwundeten Soldaten. Im Nu waren die Jungs aus dem Graben.
»Was ist denn das, verdammt noch mal?« rief Mark
ungläubig. »Das darf doch wohl nicht wahr sein!
Verdammte Scheiße, wieso ist das kein LandCruiser?«
Der Fahrer geriet in Panik und würgte den Motor ab.
Er und die beiden Passagiere im Fond saßen da und
starrten mit offenem Mund in die Mündung von Minimis und 203ern.
Das Taxi war eine alte Rostlaube und typisch arabisch geschmückt – Quasten und bunte religiöse Embleme
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baumelten an allen möglichen Stellen. Als Sitzbezug dienten zwei alte Decken. Der Fahrer war vor Angst hysterisch. Die beiden Männer auf dem Rücksitz waren ein Bild für die Götter; sie trugen ordentlich gebügelte grüne Drillichanzüge und Uniformmützen, auf dem
Schoß hatten sie jeder eine kleine Tasche. Während der jüngere der beiden erklärte, sie seien Vater und Sohn, durchwühlten wir rasch ihre Sachen nach irgend etwas Brauchbarem.
Wir mußten uns beeilen, denn schließlich konnten
jeden Moment andere Wagen auftauchen. Wir
versuchten, die drei an den Straßenrand zu bugsieren, aber der Vater hatte sich hingekniet. Er dachte, sein letztes Stündlein hätte geschlagen.
»Christ! Christ!« schrie er, wühlte dabei in seiner Tasche und holte einen Schlüsselring hervor, an dem eine Madonna baumelte. »Muslim!« sagte er und zeigte auf den Taxifahrer, wohl um ihn ans Messer zu liefern.
Nun sank der Fahrer auf die Knie, verbeugte sich
betend. Wir mußten ihn mit dem Gewehrlauf antreiben, damit er sich von der Stelle bewegte.
»Zigaretten?« fragte Dinger.
Der Sohn gab ihm zwei Packungen.
Der Vater stand auf und fing an, Mark abzuküssen,
wohl aus Dank, daß der ihn nicht tötete. Der Fahrer betete weiter und schrie. Es war die reinste Farce.
»Was ist denn bloß los mit ihm?« sagte ich.
»Mit dem Wagen verdient er sein Geld«, sagte der
Sohn in gutem Englisch. »Er muß für seine Kinder
sorgen.«
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Bob kam herangestürmt und sagte: »Verdammt, jetzt
reicht’s mir aber.« Er steckte dem Fahrer die Spitze seines Bajonetts in ein Nasenloch und führte ihn so zum Graben.
Wir ließen alle drei dort stehen. Wir hatten nicht die Zeit, sie zu fesseln, wir wollten endlich weg. Schließlich hatten wir noch ein paar Meilen vor uns.
»Ich fahre«, sagte ich. »Ich hab’ Robert De Niro in Taxi Driver gesehen.«
Es war eine alte Lenkradschaltung, mit der ich
Schwierigkeiten hatte. Unter höhnischen Bemerkungen wendete ich umständlich, und wir brausten in westlicher Richtung davon. Legs saß vorn, um mit dem Kompaß die Richtung zu bestimmen, die drei anderen hatten sich auf den Rücksitz gezwängt. Bei dem Glück, das wir bisher gehabt hatten, hätte es mich nicht gewundert, wenn der Kompaß im Eimer gewesen wäre und wir als nächstes ein Schild mit der Aufschrift »Willkommen in Bagdad –
Fahren Sie bitte vorsichtig!« gesehen hätten.
Wir hatten keine kurzläufigen Waffen, nur welche mit langem Lauf, und falls wir wieder in Schwierigkeiten kämen, war es fast unmöglich, sie zu bedienen. Dennoch waren wir überglücklich. Jetzt oder nie. Wenn wir es heute nacht nicht schafften, waren wir erledigt.
Leider Gottes waren wir gezwungen, Straßen zu
benutzen, aber wir mußten möglichst viel Kilometer schaffen. Der Tank war etwas mehr als halb voll, was für die Entfernung reichte, die wir zurücklegen mußten. Wir fuhren ohnehin in einem recht benzinsparenden Tempo, 217
weil wir weder auffallen noch in den kleinsten Unfall verwickelt werden wollten. Wir würden einfach so weit wie möglich fahren, den Wagen irgendwo stehenlassen und zu Fuß über die Grenze gehen.
Wir versuchten, einen Schlachtplan zu entwerfen, was wir tun würden, falls wir an einen
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