Die Männer von Bravo Two Zero
VCP [Vehicle Checkpoint –
Fahrzeugkontrollpunkt, Straßensperre]
kamen. Aber uns fiel nichts ein. Wir konnten nicht versuchen, eine Straßensperre zu durchbrechen. Das mag zwar in Filmen klappen, aber nicht in der Realität; feste VCPs sind auf so etwas vorbereitet. Das Fahrzeug wird sofort beschossen, und wir würden durchlöchert wie Schweizer Käse. Wahrscheinlich würde ich einfach eine Vollbremsung machen, und wir würden rausspringen und die Beine in die Hand nehmen.
Leider hatten wir nur Luftkarten, keinen detaillierten Straßenatlas. Die Straßen waren sehr verwirrend. Legs dirigierte mich an jeder Kreuzung in westlicher Richtung, und ich behielt den Kilometerzähler im Auge, um zu sehen, wie weit wir schon gefahren waren.
Der erste größere Ort, zu dem wir kamen, war ein
Gelände mit Pumpstationen. Es wimmelte nur so von
Militärfahrzeugen und Soldaten, aber es war kein
Kontrollpunkt. Niemand nahm auch nur die geringste Notiz von uns, als das Taxi vorbeituckerte.
Wir mußten den Eindruck machen, als ob wir genau
wüßten, wohin wir wollten. Falls wir so aussähen, als hätten wir uns verfahren, würden wir Mißtrauen erregen, und es könnte sogar sein, daß jemand herüberkam, um uns zu helfen.
218
Wir kamen wieder zu einer Reihe von Kreuzungen. Es gab keine Straße in Richtung Westen, und das beste, was wir tun konnten, war nach Norden abzubiegen. Es war eine normale zweispurige Straße, statt der einspurigen, auf denen wir bislang gefahren waren. Eine Kolonne Öltanklaster fuhr vor uns. Wir setzten zum Überholen an, doch Militärfahrzeuge kamen uns entgegen. Da niemand sonst überholte, mußten wir das Spiel mitspielen und scherten wieder ein. Zumindest kamen wir voran, und die Heizung lief auf Hochtouren. Es war angenehm warm.
Die Kolonne kam zum Stehen.
Wir konnten nicht erkennen, weshalb. Eine Ampel?
Ein liegengebliebenes Fahrzeug? Eine Straßensperre?
Legs sprang aus dem Wagen, um nachzusehen, doch er konnte in der Dunkelheit nichts erkennen. Es ging im Schritttempo weiter. Wir hielten wieder, und Legs stieg aus.
»Militärfahrzeuge vor dem Konvoi«, brummte er.
»Entweder ein Unfall, oder ein Fahrzeug hat eine Panne.«
Soldaten standen herum oder saßen in LandCruisern, und Pkw und Lastwagen fuhren langsam daran vorbei.
Als wir an der Reihe waren, hielt ich den Atem an. Einer der Soldaten, die den Verkehr regelten, sah zu uns herüber und winkte uns weiter. Mark, Bob und Dinger auf dem Rücksitz stellten sich schlafend; Legs und ich mit unseren Kopftüchern grinsten wie Idioten und
winkten zurück. Als sie langsam im Rückspiegel
verschwanden, schütteten wir uns aus vor Lachen.
Wir kamen zu einer Siedlung. Saddam-Statuen standen vor öffentlichen Gebäuden, und jede verfügbare Stelle 219
war mit seinem Konterfei tapeziert. Wir fuhren an Cafes vorbei, vor denen dichtes Menschengewühl herrschte.
Wir kamen an Zivilfahrzeugen, Panzerwagen und APCs vorbei. Niemand nahm Notiz von uns.
Manchmal schleusten uns die Straßen und Kreuzungen völlig in die falsche Richtung. Wir fuhren ein Stück nach Norden, dann nach Osten, dann nach Süden, dann nach Westen, doch wir achteten darauf, daß wir uns im großen und ganzen westlich hielten. Mark hatte den Magellan hinten bei sich auf dem Schoß und versuchte, unsere Position zu ermitteln, damit jeder von uns, falls wir in die Scheiße gerieten, die nötigen Informationen hätte, um es allein über die Grenze zu schaffen.
Dinger rauchte, wie ein zum Tode Verurteilter kurz vor der Hinrichtung seine letzte Zigarette genießt. Ich überlegte, ob ich eine mitrauchen sollte. Ich hatte in meinem ganzen Leben keine einzige Zigarette angerührt, und ich dachte: Heute nacht bin ich vielleicht schon tot, warum also nicht mal eine probieren, solange ich noch kann?
»Wie geht das eigentlich mit den Fluppen?« fragte ich Dinger. »Ziehst du den ganzen Rauch in die Lunge oder wie?«
»Du hast doch wohl schon mal geraucht, oder?«
»Nein, Kumpel – noch nie im Leben.«
»Dann wirst du auch jetzt nicht damit anfangen, du Wichser. Du klappst zusammen und baust ‘nen Unfall.
Und überhaupt, weißt du eigentlich, wie viele Menschen im Jahr an Lungenkrebs sterben? So einem Risiko kann ich dich unmöglich aussetzen.«
220
Er blies eine Ladung Rauch in meine Richtung. Ich
fand es widerlich, und das wußte er. Ich wedelte die Wolke irakischen Zigarettenrauch mit der Hand weg.
»Ich hasse das«, sagte ich. »Ist dir eigentlich klar, daß ich von
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