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Die Männer von Bravo Two Zero

Die Männer von Bravo Two Zero

Titel: Die Männer von Bravo Two Zero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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verliefen, parallel zur Straße. Drei oder vier Fahrzeuge fuhren ebenfalls nach Südosten an der Linie von
    Strommasten entlang, als würden sie sie zur Orientierung benutzen. Wir befanden uns zwischen Straße und
    Strommasten.
    Wir rückten eng zusammen, um uns zu wärmen, und
    versuchten, uns wach zu halten, aber es passierte immer wieder, daß wir eindösten und dann aus dem Schlaf
    aufschreckten. Wir hatten die Nacht überlebt, und jetzt hoffte ich bloß, daß wir wieder bis Sonnenuntergang durchhalten würden.
    Wir versorgten unsere Füße. Dabei darf sich immer
    nur einer einen Stiefel ausziehen. Mittlerweile waren wir zwar an strammes Marschieren unter harten Bedingungen gewöhnt, aber die Anstrengungen der letzten Nacht
    übertrafen alles. Wir waren zwölf Stunden marschiert, hatten weit über 50 Kilometer zurückgelegt, und das unter Wetterbedingungen, wie man sie sich schlimmer kaum vorstellen kann. Unsere Füße hatten einiges
    mitgemacht.
    Dinger erinnerte sich, daß Chris Goretex-Schuhe
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    getragen hatte, die ihn 100 Pfund gekostet hatten. »Falls der noch auf den Beinen ist, sind seine Füße in den Gucci-Schuhen bestimmt okay«, sagte er, während er sich die wunden Zehen massierte. Wir aßen eine kalte Ration. Aufwärmen war nicht möglich, weil das Gelände zu offen war. Unser Proviant würde noch ein paar Tage reichen; was wir dringender brauchten, war Wasser.
    Wir ruhten uns aus und beratschlagten. Vor allem
    mußten wir heute nacht das Hochland hinter uns lassen, um tiefer gelegene Gebiete zu erreichen, wobei es sich der Karte nach um steiniges Flachland handelte, über das wir dann zur Grenze spazieren könnten. Theoretisch könnten wir es in dieser Nacht über die Grenze schaffen, wenn wir uns richtig anstrengten. Das hieße bloß, noch einmal zwölf Stunden an einem Stück marschieren.
    Positiv war, daß wir nicht viel Gewicht zu schleppen hatten, denn wir trugen nur unsere Gürteltaschen und Waffen. Und wir hatten ein Ziel, das hieß: Raus aus dem Irak, rein nach Syrien. Wir hatten keine Ahnung, wie die Grenze aussah; das würden wir dann sehen, wenn wir da waren.
    Wir studierten noch einmal die Karte, um
    sicherzugehen, daß wir alle wußten, wo wir waren, wohin wir gingen und was wir aller Wahrscheinlichkeit nach unterwegs sehen würden – was nicht besonders viel war, da wir nur Luftkarten hatten. Der Verlauf von
    Stromleitungen und ähnlichem ist auf solchen Karten nur ungefähr eingezeichnet, aber wir wußten, daß sich etwa drei Stunden nach Norden zu unserer Rechten ein
    größeres besiedeltes Gebiet befand.
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    Langsam kamen wir alle wieder zu Kräften. In den
    nächsten Stunden erzählten wir uns im Flüsterton
    dreckige Witze, um bei Laune zu bleiben. Allmählich ließ sich alles wieder ganz gut an. Uns war zwar noch kalt, aber wir kamen damit klar. Zumindest schneite oder regnete es nicht mehr. Ich war zuversichtlich, daß wir es in einer letzten großen Kraftanstrengung schaffen
    würden.

    Es war 15 Uhr 30, als wir es hörten.
    Ding ding, bäh, bääh.
    Bloß das nicht, dachte ich.
    Ich suchte rasch das Gelände ab, konnte aber nichts entdecken. Wir legten uns flach auf die Erde. Es war kein Schreien oder Rufen zu hören wie beim letzten Mal, nur Gemecker und eine einsame Glocke. Es kam näher und näher. Ich blickte hoch und sah das Leittier der
    Ziegenherde mit einer Glocke um den Hals. Die anderen Ziegen schienen dem Bock überallhin zu folgen, denn sie gesellten sich nacheinander zu ihm. Bald darauf standen zehn von ihnen glotzend am Rand der Senke. Sie starrten uns an, und wir starrten sie an. Ich warf ein paar kleine Kieselsteine nach dem Leittier, um es zu verscheuchen.
    Statt dessen jedoch kam der Bock noch näher, und die übrigen Ziegen hinterdrein. Sie senkten den Kopf und begannen zu kauen, und wir fünf seufzten erleichtert auf.
    Doch zu früh. Einige Sekunden später tauchte der alte Ziegenhirte auf. Er war bestimmt 70, wenn nicht noch älter. Er trug einen weiten wollenen Kaftan und darüber eine ausgeleierte Strickjacke. Um den Kopf hatte er ein 208
    Tuch gewickelt, und eine schmuddelige Ledertasche hing an seiner Schulter. Er hielt eine Perlenschnur in den Händen und murmelte vor sich hin, während er die
    Holzperlen durch die Finger gleiten ließ.
    Er sah uns an und betete stur weiter. Keine
    Überraschung, keine Angst, rein gar nichts.
    Ich lächelte ihn an, wie es sich gehört.
    Wie selbstverständlich, als würde er jeden Tag fünf Fremde entdecken, die

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