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Die Männer von Bravo Two Zero

Die Männer von Bravo Two Zero

Titel: Die Männer von Bravo Two Zero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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werden.
    »Auf keinen Fall über den Fluß«, flüsterte ich Mark ins Ohr.
    Dazu hatte ich nicht den Mut, also entschieden wir uns für den Weg durch die feindlichen Stellungen. Aber wann? Es herrschte das reinste Chaos, und es war schwer zu sagen, wann die Gelegenheit günstig war und wann nicht.
    »Verdammt«, flüsterte Mark, »wir sitzen sowieso in der Scheiße, also was soll’s?«
    Wenn wir durchkämen, um so besser, aber wenn nicht
    – dann war’s eben so –, ich hoffte bloß, daß es kurz und schmerzlos über die Bühne ging. Ich betrachtete die ganze Sache ziemlich nüchtern.
    Wir prüften unseren Munitionsvorrat. Ich hatte noch etwa anderthalb Magazine, Mark hatte noch einen
    Hundertergurt für die Minimi . Unsere Situation war absolut lächerlich: Überall um uns herum Schußwechsel und Geschrei und Leuchtspurgeschosse, und wir
    mittendrin in einem Gebüsch, bei dem Versuch, unsere Ausrüstung in Ordnung zu bringen und gleichzeitig die andere Seite des Wadi im Auge zu behalten. Ich hatte eiskalte Hände. Gras und Blätter waren ganz brüchig vom Frost. Der Fluß war in Nebel gehüllt.
    Ich sah Mark an und mußte ein Lachen unterdrücken.
    236
    Er trug einen langen Schal, einen sogenannten
    Mützenschal, der sich so falten ließ, daß dabei eine Art Kommandomütze herauskam, wie man sie im Zweiten
    Weltkrieg trug. Mark hatte die Mütze oben nicht
    eingeschlagen, so daß er aussah wie Noddy in den
    Kinderbüchern von Enid Blyton. Wie er so mit ernstem Gesichtsausdruck durch das Gebüsch spähte, sah er
    richtig komisch aus.
    »Wenn wir es jetzt nicht versuchen, dann nie«, sagte er.
    Ich nickte.
    Während er das sagte und weiter die Gegend absuchte, holte er ein Bonbon aus seiner Tasche und steckte es in den Mund.
    »Ist mein letztes, ich ess’ es besser jetzt, könnte schließlich mein allerletztes sein.«
    Ich hatte meine schon auf. Ich sah ihn schmachtend an.
    »Hast wohl keine mehr, was?« grinste er.
    »Nein, alle alle.«
    Ich sah ihn an wie ein junger Hund.
    Er nahm das Bonbon aus dem Mund, biß es in der
    Mitte durch und gab mir die Hälfte.
    Wir lagen da und kosteten den Augenblick aus,
    während wir uns innerlich darauf vorbereiteten,
    loszugehen.
    Am Ende wurde uns die Entscheidung abgenommen.
    Vier Iraker kamen am Ufer entlang, und sie waren
    offenbar gut ausgebildet und wachsam. Es waren keine Rufe zu hören, und sie hatten sich gut verteilt. Allerdings wirkten sie nervös, was normal ist, wenn man weiß, daß 237
    irgendwo in der Nähe jemand ist, der auf einen schießen könnte. Wenn wir uns rührten, würden sie uns sehen. Ich machte Mark durch Zeichen verständlich: Wenn sie uns nicht sehen, lassen wir sie ziehen; wenn doch, erledigen wir sie. Sie kamen aber so nahe heran, daß sie uns auf jeden Fall entdecken würden, also töteten wir sie.
    Wir mußten weg, ob nun der richtige Zeitpunkt dafür war oder nicht. Wir spurteten über den Acker, parallel zum Fluß. Weiter rechts kamen wir über eine sanfte Anhöhe, von wo es hinunter zum Fluß ging. Irgend etwas bewegte sich, und wir warfen uns auf den Boden.
    Die Ackerfurchen, in denen wir lagen, verliefen in nordsüdlicher Richtung. Wir krochen auf dem Bauch das ganze Stück bis zur Hecke. Befehle wurden geschrien, und Soldaten liefen konfus herum. Sie waren keine 25
    Meter entfernt. Wir krochen 20 Minuten lang. Der Boden war eiskalt, und es tat weh, wenn man die Hände in den Schlamm grub, um sich vorwärts zu ziehen. Meine
    Sachen waren völlig durchnäßt. Kleine Wasserpfützen waren gefroren, und das Eis brach, wenn wir
    darüberkrochen. Das Geräusch wurde in meinem Kopf
    tausendfach verstärkt. Sogar mein Atem klang
    erschreckend laut. Ich wollte bloß schnell aus diesem Schlamassel raus und die Baumlinie erreichen, wo uns eine ganz andere schöne Welt erwartete.
    Es wurde noch immer geschossen und geschrien, und
    mir war schleierhaft, wie wir jemals aus diesem
    Hexenkessel rauskommen sollten. In einer solchen
    Situation muß man einfach durchhalten und abwarten, was passiert. Ich wäre am liebsten aufgesprungen und 238
    losgerannt.
    Die Iraker waren noch immer am unteren Ende des
    Feldes. Vielleicht, so hoffte ich, dachten sie, wir wären weiter den Fluß hinunter, Richtung Osten, um zu den anderen zu gelangen. Im Grunde war es mir egal, was sie dachten, solange sie es weit genug entfernt taten. Mein einziger Gedanke war, daß wir es heute nacht über die Grenze schaffen mußten.
    Wir erreichten die Hecke. Sie war als Feldabgrenzung

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