Die Männer von Bravo Two Zero
noch nicht einmal Mitternacht. Es würde noch Stunden dunkel sein. Ich fühlte mich
einigermaßen gut.
Wir folgten dem Lauf einer Hecke, dann sprangen wir links in einen natürlichen Bewässerungsgraben. Er
mündete in ein Wadi, das wiederum zum Euphrat zu
führen schien. Das Wadi war ungefähr 40 bis 50 Meter breit und 25 Meter tief. Beide Seiten fielen fast senkrecht ab. Der Boden war praktisch flach, mit einem Rinnsal in der Mitte. Wir konnten das Wadi nicht umgehen, weil wir nicht wußten, wie weit es sich erstreckte.
Möglicherweise führte es in Richtung Süden, und südlich von uns verliefen Straßen, die wir meiden wollten. Dann sah ich, daß es in einem Bogen nach Westen verlief, was für uns super war. Wir konnten uns so lange wie möglich in seinem Schatten halten.
Ich erreichte das Wadi und schob mich ein Stück über den Rand, um einen Blick hineinzuwerfen. Mark war
direkt hinter mir. Als ich bereits auf dem Weg nach unten war, konnte ich den Horizont auf der gegenüberhegenden Seite des Wadis sehr viel besser sehen. Das erste, was ich an der Horizontlinie erblickte, war der Umriß eines Wachpostens.
Er ging auf und ab, stampfte dabei mit den Füßen und hauchte in die Hände, um sich warm zu halten. Ich sah an ihm vorbei und wollte meinen Augen nicht trauen. Es 233
war ein riesiger Stützpunkt – Zelte, Gebäude, Fahrzeuge, Funkantennen. Ich erspähte Leute, die aus den Zelten kamen. Ich hörte Gesprächsfetzen. Die Leute hatten den Mond im Rücken und blickten in unsere Richtung. Ich rührte mich nicht.
Erst nach 15 Minuten konnte ich es wagen, wieder zu Mark zurückzuklettern. Er hatte mit Sicherheit dasselbe gesehen wie ich, weil er nicht hinter mir hergekommen war. Auch er lag mucksmäuschenstill da. Das Ganze war beängstigend. Wir saßen sozusagen auf dem
Präsentierteller.
Ich war wieder auf der Höhe von Mark. »Hast du das gesehen?«
»Ja, unglaublich«, sagte er. »Wir müssen zurück und uns ‘nen Schlachtplan überlegen.«
»Keine Panik.«
Wir würden zu den anderen zurückkriechen. Dann
würden wir wieder bis zu der Hecke schleichen, uns kurz ausruhen und einen anderen Weg suchen. Wir hatten 30
Meter hinter uns gebracht, um aus der unmittelbaren Gefahrenzone rauszukommen, und gingen dann im
Graben in die Hocke.
Im selben Augenblick ertönte aufgeregtes Rufen, und es wurde geschossen. Die Hölle brach los. Mark war auf dem Boden mit der Minimi und ballerte an der Hecke entlang, wenn er irgendwo Mündungsfeuer erblickte.
Vom Stützpunkt auf der anderen Seite des Wadi wurde das Feuer eröffnet, was mich nicht sonderlich begeisterte, da das Gelände dort höher lag.
Ich schoß meine letzten Granaten ab, dann war es Zeit, 234
einen eleganten Abgang zu machen. Ich wollte zurück zum Flußufer, weil es uns Deckung bieten würde. Als wir lospreschten, waren aus allen Richtungen Rufe und
Schüsse zu hören. Die drei anderen hatten Feindkontakt.
An der Hecke war die Hölle los. Ich nahm an, daß Bob und die beiden anderen zusammen waren.
Die Iraker auf der anderen Seite des Wadi feuerten in alle Richtungen. Ich hörte 203er-Granaten; das mußte Legs sein, weil Dinger und Bob Minimis hatten. Es war unheimlich laut. Jeder von uns war in seiner kleinen Welt gefangen. Mir wurde voll Verzweiflung klar, daß wir keine Chance hatten, wieder zusammenzukommen. Wir
waren erneut in zwei Gruppen geteilt, und das kurz vor dem Ziel. Schöne Scheiße. Ich hatte wirklich gedacht, wir hätten es geschafft.
Mark und ich waren am Euphrat-Ufer und versuchten, uns über die Lage klarzuwerden. Die Wasserlinie lag 10
bis 15 Meter niedriger als das Ackerland, das wir gerade überquert hatten, und dazwischen befanden sich mehrere kleine Plateaus. Wir waren auf dem ersten, tief im Gebüsch verborgen.
Wir konnten unsere Verfolger hören; sie arbeiteten sich mit Taschenlampen näher und verständigten sich untereinander durch Zurufe. Zwischendurch erklangen hektische feindliche Schüsse von unserer Seite des Wadi her, dann Gefechte links und halblinks von uns, an denen 203er und Minimis beteiligt waren. Leuchtspurgeschosse gingen zuerst waagerecht, dann senkrecht in die Höhe, wenn sie Felsen und Gebäude trafen.
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Wir reckten den Hals wie zwei Frettchen und sahen
uns um. Es war schwer zu sagen, was wir tun und wohin wir gehen sollten – ob wir den Fluß überqueren oder es durch die feindlichen Stellungen hindurch versuchen sollten, auf die Gefahr hin, getötet oder
gefangengenommen zu
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