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Die Männer von Bravo Two Zero

Die Männer von Bravo Two Zero

Titel: Die Männer von Bravo Two Zero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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Pech gewesen, aber so geschnappt zu werden, in einer Gegend, die auch in Nordwesteuropa hätte liegen können, das war verdammt schwach.
    Überall waren Soldaten; sie schwatzten durcheinander, noch immer sehr mißtrauisch. Jetzt, da sie mich hatten, wußten sie nicht genau, was sie mit mir anstellen sollten.
    Es gab offenbar mehr Häuptlinge als Indianer; jeder wollte Befehle erteilen. Vermutlich konnten sie mit einer Belohnung rechnen. Ich stand reglos im Schlamm, ein Häufchen Elend. Ich blickte geradeaus, kein
    besänftigendes Lächeln, keine trotzige Miene, nicht der geringste Blickkontakt. Meine Ausbildung übernahm die Kontrolle. Ich spielte bereits den Unscheinbaren.
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    Sie fingen an, in den Boden zu schießen. Sie waren unglaublich aufgeregt. Ich fürchtete schon, daß sie mich aus Versehen töten würden und nicht auf Befehl oder in einem Gefecht mit mir. Nicht, daß ich mir Gedanken um Ruhm und Ehr’ gemacht hätte, ich wollte bloß nicht deshalb sterben, weil irgend so ein schieß wütiger Vollidiot durchdrehte. Oder schlimmer, schwer verletzt werden. Aber in solchen Situationen darfst du auf gar keinen Fall zeigen, daß du Angst hast; du stehst einfach da, atmest tief durch, schließt die Augen und läßt sie machen.
    Das Schießen hörte nach 15 Sekunden auf. Einer der Soldaten sprang hinunter und suchte unter der Brücke nach meiner Ausrüstung. Er kam mit der Karte zurück, die nicht markiert war, der Gürteltasche und dem
    Kampfmesser. Er fuchtelte mit der Klinge vor meiner Nase herum und tat dann so, als wolle er mir die Kehle durchschneiden. Ich dachte, das kann ja heiter werden.
    Einer der anderen Soldaten stieß mich mit seiner
    Waffe an und gab mir zu verstehen, daß ich mich
    hinknien sollte.
    Will er mich töten? Muß ich jetzt sterben?
    Ich konnte mir keinen anderen Grund denken, warum
    ich mich hinknien sollte. Wenn sie mich mitnehmen
    wollten, würden sie mich wegschleifen oder mich
    irgendwohin bugsieren.
    Soll ich mich hinknien und darauf warten, erschossen zu werden, oder soll ich abhauen?
    Ich würde nicht weit kommen. Nach fünf Schritten
    wäre ich tot. Ich kniete mich ins Wasser und in den tiefen 258
    Schlamm.
    Der Grund des Bewässerungsgrabens war etwa einen
    halben Meter tiefer als die Felder drumherum, und als ich mich hingekniet hatte, war mein Gesicht etwa in Höhe der Stahlplatte. Ich blickte hoch.
    Einer der jungen Burschen bestrafte mich mit einem Tritt gegen das Kinn, so daß ich rückwärts in den Graben fiel. Wasser strömte mir in die Ohren, und grellweiße Flecken tanzten vor meinen Augen. Als ich sie wieder öffnete, sah ich wie durch explodierende Sterne hindurch, daß sich Menschen um mich drängten und aus dem
    klaren, blauen Himmel gleich Gewehrkolben auf mich herabregnen würden.
    Selbst wenn man benommen ist, reagiert der Körper
    mit dem Selbstschutzreflex, man dreht sich weg. Mit dem Gesicht im Schlamm rollte ich mich zusammen, so eng ich konnte. Fallschirmspringer sagen, wenn es stürmisch ist und sie wissen, daß die Landung heikel wird: »Füße und Knie zusammen und die Landung über sich ergehen lassen.« Ich mußte das hier über mich ergehen lassen, ich konnte nichts dagegen tun. Ich war nicht erschossen worden, und eingedenk dessen war es fast eine
    angenehme Überraschung.
    Sie verhielten sich fast wie verspielte Tiere, versetzten mir ab und zu einen Tritt, wichen zurück, kamen erneut, wurden immer mutiger. Sie packten mich an den Haaren und zerrten meinen Kopf nach hinten. Sie traten und schlugen wie wild auf mich ein, um ihren angestauten Frust rauszulassen, und schrien: »Tel Aviv! Tel Aviv!«
    Sie sprangen von der Brücke auf meinen Rücken und
    259
    meine Beine. Du spürst zwar die Wucht des Aufpralls, aber keinen Schmerz. Der Adrenalinstoß ist zu groß. Du spannst die Bauchmuskulatur an, beißt die Zähne
    zusammen und versteifst deinen Körper so gut du kannst und hoffst die ganze Zeit, daß sie dich nicht ernsthaft verletzen.
    »Tel Aviv! Tel Aviv!« riefen sie immer wieder.
    Langsam dämmerte mir, was sie damit meinten. Mir
    schwante nichts Gutes.
    Das Ganze dauerte keine fünf Minuten, aber es reichte voll und ganz. Als sie schließlich von mir abließen, drehte ich mich um und blickte zu ihnen hoch. Ich wollte, daß sie sahen, wie verwirrt und bemitleidenswert ich aussah, ein armer Soldat, der panische Angst hatte, der sich unterwarf und ihr Mitleid verdiente.
    Es funktionierte nicht.
    Ich wußte, es würde wieder losgehen, und ich

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