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Die Männer von Bravo Two Zero

Die Männer von Bravo Two Zero

Titel: Die Männer von Bravo Two Zero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy McNab
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deutlichste Hinweis darauf, daß der Krieg fast vorüber war. Wir erzählten ihm nicht, was die Wachen mit uns anstellten, sobald er ihnen den Rücken kehrte. Das hätte es für uns nur noch schlimmer gemacht.
    »Vergeßt nicht, daß ich nichts für das kann, was man vorher mit euch gemacht hat«, sagte er immer wieder. Offenbar war ihm klar, daß sie den Krieg verlieren würden, und er wollte seinen Arsch retten.
    Eines Nachts hörten wir, wie die Tore aufgingen, und Stöhnen und Wimmern. Ich fühlte mich immer verunsichert, wenn nachts so etwas passierte. Die Geräusche ließen keinen Zweifel daran, daß ein Gefangener eingeliefert und in eine Zelle gesteckt wurde. Es folgte Stimmengemurmel und plötzlich ein langer, markerschütternder Schrei. In der nächsten Nacht nahmen wir mit dem Neuzugang Kontakt auf. Er hieß Joseph Small, Einsatzname Alleycat. Er war Major, Pilot im US-Marine Corps. Der arme Teufel war, wie er uns erzählen konnte, am letzten Tag des Bodenkrieges abgeschossen worden. Seine Fallschirmlandung ging daneben, und er blieb in einem Baum hängen. Er hatte sich einen offenen Beinbruch zugezogen, und die Iraker hatten ihm bloß eine primitive Schiene angelegt, mit der er klarkommen mußte.
    Der Bodenkrieg hatte also nicht erst begonnen, er war schon so gut wie vorbei, und der Irak war im Arsch. Das waren wunderbare Neuigkeiten. Schwierig war nur, daß wir mit Joseph Small noch einen Amerikaner mehr hatten und damit auch mehr Gequatsche. Sie lauschten nicht erst mal, ob auch keine Wachen mehr da waren, sondern quasselten einfach los, was schlimme Folgen für uns alle hatte. Ich machte mir noch immer Sorgen, daß man uns irgendwann trennen würde.
    Es war lustig mit Joseph, denn er war immer scharf auf eine Zigarette, und er bat die Wachen bei jeder Gelegenheit, ihm eine zu geben, aber so aggressiv, daß sie ihn jedesmal abfahren ließen. Dinger dagegen, ein Diplomat wie er im Buche steht, schaffte es jedesmal, wenn der Major auftauchte, ihm eine Fluppe abzuluchsen.
    Am Ende beschlossen wir, mit den Amerikanern keine Gespräche mehr anzufangen. Wenn sie sich unterhielten, warteten wir ab, ob die Wachen reagierten. Wenn nicht, machten wir mit, wobei wir stets versuchten, möglichst viel in Erfahrung zu bringen. So wollten wir beispielsweise wissen, ob das Rote Kreuz über unseren Verbleib informiert worden war. Hielt man uns für tot? Wußte man, daß wir am Leben waren?
    Joseph Small konnte zumindest sagen, daß dem Roten Kreuz nichts über uns mitgeteilt worden war; wir alle galten als vermißt. Bush hatte gerade erst angekündigt, daß die Alliierten bis nach Bagdad vorstoßen würden, falls nicht sämtliche Kriegsgefangenen freikämen. Es sah also ganz so aus, daß die Westmächte den Krieg gewannen und wir gute Chancen hatten freizukommen. Doch es war genausogut möglich, daß man uns nicht freiließ. Wir wußten, daß die Iraker Kontakte zur PLO hatten. Würden wir am Ende in trauter Eintracht mit Terry Waite vor ein und demselben Radiator hocken?
    Das Ganze hatte aber auch eine komische Seite.
    »Wer ist da?« dröhnte eine Stimme.
    »Major Joseph Small, Marine Corps.«
    »Russell Sanborn, Captain, Marine Corps.«
    »Pilot?«
    »Ja, Sir!«
    Kernig und martialisch, wie eine Szene aus Top Gun.
    Am Tag, nachdem Joseph Small aufgetaucht war, wurde ein Sanitätssergeant namens Troy Dunlap auf einer Trage hereingebracht; er hatte eine Wirbelsäulenverletzung. Er war mit einer Ärztin zusammengewesen, die sich beide Arme gebrochen hatte und ebenfalls gefangengenommen worden war. Die übrigen Mitglieder der Flugzeugbesatzung waren tot.
    Wie zu erwarten, nahmen die Amerikaner sofort mit ihm Kontakt auf.
    »Major Small? Major Joseph Small? Scheiße, Sir, ich gehöre zu dem Trupp, der Auftrag hatte, Sie zu suchen!«
    Wir nannten ihm auch unsere Namen für den Fall, daß er aufgrund seiner Verwundung früher nach Hause geschickt wurde.
    Um diese Zeit etwa hörten die Bombardierungen auf, was Smalls Geschichte bestätigte. Die Bombardierungen waren für uns ein Barometer. Falls sie wieder anfingen, wußten wir, daß die Sache schlecht stand. Am Nachmittag ertönten kurz hintereinander zwei Detonationen. Nach der ersten flogen laut kreischend die Vögel auf, und großes Geschrei setzte ein. Unsere Hoffnungen auf eine baldige Freilassung schwanden mit dem Echo des Knalls.
    Ich versuchte, positiv zu denken. Den Irakern wurde inzwischen auch von Bodentruppen die Hölle heiß gemacht. Nach Smalls Angaben konnte

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